Kabal: Gesamtausgabe der Order of Burning Blood Trilogie Band I bis III (German Edition)
Unaufmerksam? Zu sehr mit unseren eigenen kleinen Wichtigkeiten beschäftigt gewesen? Wir haben Charna so viele Dinge überlassen, seit Sari fort ist. Ich habe zu wenig Zeit in der Gegenwart verbracht und zu viel Mühe auf die Vergangenheit und die ferne Zukunft verschwendet.
Ihr Kraindrache stieß einen leisen Ruf aus und ließ sich tiefer sinken.
»Es ist zu kalt hier, die anderen sind weit unter uns«, rief Humaa.
Kassandra betrachtete die Eisblumen auf dem Sattelknauf aus Bronze und wünschte sich, die Kälte würde sie erstarren lassen. Doch der Kraindrache ließ sich immer tiefer sinken, bis sie wieder zwischen seinen Artgenossen flogen und bald nahm die Temperatur wieder zu. Sie entdeckte die Pfade und Straßen zwischen den Bergen, die Orte und Niederlassungen in den Tälern und an den Berghängen. Immer schon hatten hier Menschen gelebt. Weit entfernt vom Glanz und Trubel der Goldenen Städte, die an der Nordküste zu ihrer Rechten lagen und sich in Reichtum und Wohlstand verloren, den Blick stets nach innen gerichtet.
So wie wir. Das Purgatorium musste kommen. Wir haben vergessen, dass Kabal nicht die einzige Welt ist. Zu lange haben wir es den Sidaji überlassen, das fragile Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, dass Kabal am Leben erhielt. Nun kommen die Subrada und fordern zurück, was Sarinaca ihnen gestohlen hat. Das Feuer . Es war ein unvergleichlicher Hochmut, der ihre Tat motivierte. Oder urteile ich vorschnell? Was wäre Kabal, wenn das Feuer nicht zu seiner Transformation benutzt worden wäre? Es wäre wie in den Alten Tagen. Ein kalter Ort ohne Magie, mit Maschinen, die leblos und grausam wie die eisernen Schlangen der Sidaji über die Welt herrschten.
Kassandra dachte über die Konsequenzen der jüngsten Ereignisse nach. Sie wusste, dass sie in den Goldenen Städten beginnen würde, ihre Schwestern ins Kloster der Flammengrube zu rufen, denn ausgerechnet dort waren die meisten Tempel zu finden, die Seherinnen aufnahmen. Es lag am Reichtum der Goldenen Städte. Jeder Tempel, der mindestens eine Seherin beschäftigte, war sich seiner Einnahmen sicher. Die reichen Geschäftsleute und Adeligen, die das Leben in ihren Stadtresidenzen bevorzugten, planten ihre unbedeutenden Leben mit größtmöglicher Sorgfalt. Keine Entscheidung wurde getroffen, wenn nicht zuvor der Rat einer Seherin eingeholt worden war. Die Seherinnen und die Einnahmen des Ordens hingen eng zusammen. War die Macht der Seherinnen gebrochen, versiegten auch die Einnahmen der Tempel. Zusammen mit Sarinacas Abwesenheit und der Katastrophe in Idrak mochte das sehr wohl das Ende der Vorherrschaft des Ordens bedeuten. Dann ginge die Macht auf die Adeligen und die Reichen mit genügend Einfluss über, wie es auf manchen anderen Welten gang und gäbe war. Die Kulte, die nach Sarinacas Verschwinden in unüberschaubarer Zahl an allen Orten Iidrashs aufgetaucht waren, bekämen jetzt wieder Zulauf, wo der Haupttempel des Ordens, das Symbol seiner Beständigkeit, vernichtet war. Chaos und Aufruhr entstünden neuerlich und diesmal war Charna nicht da, um wieder Ordnung in die Dinge zu bringen.
Kassandra wollte instinktiv einen Blick in die Zukunft werfen, doch da war nichts, nur eine große Leere, die sich in vollkommener Ungewissheit vor ihr ausbreitete. Sie legte die Hände vor das Gesicht und sackte im Sattel zusammen, unfähig, ihre Gedanken zu ordnen. Mutlos und schwach kämpfte sie gegen eine Welle der Verzweiflung, die sie in einen finsteren Ozean dunkler Gefühle hinabzureißen drohte.
Plötzlich blitzte ein Bild von Disdahal vor ihr auf, der sich in all seiner Macht aus den Fluten erhob.
»Eine Vision?«, flüsterte sie und packte den Sattelknauf.
War es eine Eingebung aus meinem Unbewussten oder ein letztes Aufbäumen meiner versiegenden Kräfte? Was bedeutet das?
Sie richtete sich auf und atmete tief ein, fasste neuen Mut.
Ich darf nicht verzweifeln! Der Tag wird kommen, wo ich meine Kräfte wieder gebrauchen kann. Bis dahin muss ich meine Schwestern zusammenhalten und ihnen Halt geben, wie Mikar es sagte. Sie brauchen Schutz und müssen ins Kloster kommen.
Ich werde zunächst den Tempel in Usheuseric aufsuchen. Riaan soll Kraindrachen nach Enistei im Westen und Krolymesaea im Osten aussenden, während ich weiter nach Isdafah und dann bis zur Küste fliege, wo ich die übrigen Goldenen Städte erreiche. Ich werde meine Schwestern nicht im Stich lassen.
Kassandra spornte Humaa zu schnellerer Gangart an und erklärte, dass sie
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