Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)
mal 22 Jahre. Ich – im Fakeprofil im Namen des Arztes – fragte ihn ein wenig aus, stellte mich etwas dumm. Und so kam ich dahinter, dass der Arzt neben mir eine ganze Reihe junger Männer hatte, denen er Kost und Logis zur Verfügung stellte. Was jetzt so schlimm daran war, war, dass ich nicht verstehen konnte – nach wie vor nicht –, warum er mir ständig weismachen wollte, ich wäre der einzige Mann in seinem Leben.
Klaro – und das brauch ich niemandem zwei Mal zu erklären – war es mal wieder Schluss mit uns. Der junge Typ mit Namen ffeet_back hatte noch die Telefonnummer des Arztes und rief ihn natürlich an und fragte ihn, warum er sich im Netz so komisch benehme, bzw. verstelle und ständig frage.
Der Arzt war erbost, das könnt Ihr Euch nicht vorstellen. Ich schaltete bei seinen überschwänglichen Ausführungen meines Kontrollzwangs auf Durchzug und wollte nicht ständig für Nachforschungen bestraft werden, die nur meine Zweifel und meine Verdächtigungen bestätigten. Ist der Zweifel erst gesät, wächst er von ganz allein; er braucht nicht mal Düngermittel.
Was ich glaube, ist, dass der Arzt tatsächlich versuchte sesshaft mit mir zu werden. Er wollte jemanden haben, dem er jeden Tag „Ich liebe dich“ ins Gesicht sagen konnte, aber er war – wie mir schon einmal gesagt worden war – in seinem sozialen Netzwerk, das aus seiner dummen Ehefrau, seiner akademischen Kinderschar, der homöopathischen Ordination und der doofen Nachbarn bestand, gefangen.
Da der liebe Arzt so erbost über meine Zweifel war, die sich ja auch noch bestätigt hatten, hat er mich sofort wieder verlassen und fuhr mit seinem Ex, der zuckenden Zebravulva, nach Kro atien, wo sie eine Orgie nach der anderen feierten. Wie ich das weiß, tja, er erzählte es mir, nachdem er wieder nach Hause gekommen war. Und ja, als er wieder zu Hause war, ließ ich mich wieder einwickeln. Aber in der Zwischenzeit hatte ich auch jemanden kennengelernt und dieser jemand war ein bedeutender, steirischer Mann: ein Adeliger, der viel von seiner Herkunft hielt. Meine Fresse, es hätte mir eigentlich klar sein können, dass es unmöglich war, jemanden zu finden, der ein wenig mehr Hirn und Anstand besaß als der Rest dieser verkorksten Gay-Gesellschaft. Da der Adelige ebenso verlogen war und der Arzt, laut seinen Aussagen, erkannte, dass er nicht ganz fair gehandelt hatte, wollte er noch eine weitere Chance haben. Ich willigte ein. Denn der Prinz, der Adelige aus der Steiermark war verheiratet (was ja nichts Schlechtes ist) und er hatte Kinder (was noch weniger schlecht ist), aber er brauchte seine Profile auf den blauen Seiten , auf denen er jeden Tag online war und nach jungen – sehr jungen – Männern suchte.
Der Prinz war aus dem Rennen und der Arzt war wieder da, einfach wieder da. Aber halt, ich empfinde keinen Kummer mehr. Da ich verstehen kann, wenn man aus seiner Haut nicht mehr heraus kann. Ich konnte ja selbst nicht anders und blieb so, wie ich nun einmal war! Mis strauisch.
Auf jeden Fall kam der Arzt zurück, sagte mir, dass er mich liebte und ich sagte ihm, dass ich KEINE B eziehung mit ihm wollte.
Mein Herz hüpfte bei dem Satz, es schrie, es machte einen Salto nach dem anderen und der alte Mann hielt mich fest im Arm und sagte, dass er mich nicht verlieren wolle, dass ich alles für ihn sei und dass er sich für mich ändern wolle. Wie oft hatte ich das schon gehört? Kann man das zählen? Sofort erfüllte er mir ein paar Wünsche: neue Matratze, neue Uhr, neue Kette. Einfach herrlich, ein wenig beschenkt zu werden. Ja, ja, ja, hasst mich ruhig. Aber ich bin ehrlich! Der Arzt und ich führten ab diesen Zeitpunkt eine sehr harmonische Nicht-Beziehung. Wie soll ich das am besten erklären? Der Arzt wollte (aus heiterem Himmel) eine Beziehung mit mir haben und ich sagte ihm, dass es dafür zu spät sei, weil zuviel passiert sei, das nicht rückgängig gemacht we rden könne. Natürlich liebte ein Teil von mir ihn noch, aber dieser Teil war davon überzeugt, dass keine Beziehung mit ihm zu führen besser sei.
Diese Bestätigung, dass ich richtig gehandelt hatte, holte ich mir etwa einen Monat später. In der Zwischenzeit bekam ich jeden Tag (wohlgemerkt: jeden Tag) unzählige Liebes-Nachrichten auf mein Handy, Einladungen zu Konzerten und Kino und ständiges Liebesgeflüstert und Hän dchenhalten in der Öffentlichkeit. Was will man mehr? Hatte sich der Arzt wirklich geändert? Ich wollte es wissen
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