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Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)

Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)

Titel: Kabbala-Box (2 Romane in einem Band) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Regner
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warte. Es ist kühl, aber nicht kalt. Ich setze mich auf einen der Betonvorsprünge, die als Begrenzungsmarkierung von Parkplatzlücken eingesetzt we rden. In meiner Tasche finde ich eine Zigarette, ich zünde sie sogleich an. Mein erster Gedanke, als ich die ersten Züge nehme, ist, ob ich zu Fuß nach Hause gehen sollte. Da mir alles weh tut und ich mir nicht sicher bin, ob ich einen Arzt brauche (das Wort allein macht mich unglücklich) versuche ich wieder Herr über meinen Körper zu werden; ich verharre noch in der Position auf dem Betonvorsprung. Ruhig bleiben, ruhig werden. Ich betrachte die 50 Euro und erkenne deren Aussagekraft: Mehr ist der Sex mit mir nicht wert.
      „Und irgendwann werde ich sterben“, sage ich ganz offen und ehrlich darauf. Vie lleicht nicht in dieser Woche oder in diesem Jahr … aber alt werde ich nicht mit diesem Lebensstil! Auf die eine oder andere Art und Weise kriegt jeder sein Fett weg, in einem ganz persönlichen Urtempo. Der Beton scheint verschwunden zu sein und ein dunkler Schacht zur Hölle tut sich auf.
      Mir wird klar, dass die Menschen blind und unbeschwert in ihren Autos fahren, in Flugzeuge steigen, in Discotheken gehen etc. und nicht an die Folgen denken. Wozu auch sich den Kopf zerbrechen? Sterben muss jeder, irgendwann, irgendwie, irgendwo. „Wie konnte ich das bisher nur übersehen?“ Warum liege ich nicht heulend jeden Tag in meinem Bett, zähneklappernd z usammengekrümmt? „Wie kommen wir Menschen damit zurecht, zu wissen, bald sterben zu müssen?“ Und wenn einem die Wahrheit erst einmal dämmert, kann man sie nicht sogleich wieder vergessen. „Weil dazwischen, wenn wir nicht an den Tod denken, das Leben Möglichkeiten von unvorstellbarer Kraft und Güte bietet.“
      Und ich lasse mich nach vorne fallen, in das Loch, mitten auf den Beton … und die Hölle ve rschluckt mich nicht!
      „Ich war kein guter Mensch“, sage ich und bin froh, dass ich den Satz in der Vergangenheit sform ausgesprochen habe. Jetzt bin ich nur noch schlecht zu mir selbst und zu meinem Körper, aber mein Körper reagiert auch so negativ auf die Umwelt. Und ich denke an die Krebsgeschwüre in mir, an Kim Kardashian und die weißen Punkte auf meinem Arm. „Ihr feiert sicherlich eine Siesta, damit ich bald den Löffel abgebe“, sprudelt es aus mir raus. Aber um ein besserer Mensch zu sein, muss man keinen Brunnen in Burkina Faso bauen oder seinen Hund verschenken oder seine Ledermöbel (wenn man welche hat). Man muss nur willens sein, Dinge vom Standpunkt anderer Leute aus zu betrachten und einen Konsens, der die eigene Charakteristik widerspiegelt, finden. „Heut’ red i wieder g’scheit.“
      Ich helfe den Grünen Kidz bei ihrem Projekt, Graz sauber zu halten, und wenn man Ver ena noch etwas mehr Spielraum gibt, wird sie wahrscheinlich die Welt vor dem Dreck, den wir Menschen fabriziert haben, retten. Tim Bendzko singt in meinem Kopf: Ich muss nur noch schnell die Welt retten, danach flieg ich zu dir. Noch 148 Mails checken, wer weiß was mir dann noch passiert, denn es passiert so viel. Muss nur noch kurz die Welt retten und gleich danach bin ich wieder bei dir.
      Die Zigarette ist schnell geraucht und ich stehe auf. Und gehe – ich humple nicht – über den le eren Parkplatz. Die Öffis in Graz fahren noch, aber ich versuche mir auf der Hauptstraße ein Taxi zu winken.
      Ich nehme mir noch eine Zigarette, die letzte, die ich habe und hoffe, dass ich sie länger rauche, keine Ahnung wie ich das anstellen soll, aber das ist nur so ein Gedanke, den ich habe. So wand ere ich durch die finstere Nacht, finster und klar ist sie. Meine Beine sind schwer, ich fühle mich so müde.
      Der Schmerz lenkt vom übrigen Geschehen ab. Autos rasen der Wienerstraße hinauf und hi nunter, scheinbar ohne Ziel. Mir kommen die Tränen. Bin ich so schrecklich gewesen? Fragt man sich ja wirklich nach so einer Beschuldigung und ich weiß die Antwort, aber man fragt sich das trotzdem. Ich nicke und ziehe ordentlich an der Zigarette. Zu Hause werde ich duschen und mich mit Bepanthen-Salbe einschmieren. Bepanthen hat noch nie versagt. Dazu eine Hädensasalbe tief in den Anus einführen, dann läuft das schon wieder wie geschmiert beim nächsten Mal. – „Beim nächsten Mal?“, sage ich laut mit zittriger Stimme, verheult, stirnrunzelnd und mit einem gequälten Lächeln.
      An mir huschen ein paar Frauen vorbei, wahrscheinlich sind das Freundinnen von der Autorin, die sich die Lesung

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