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Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)

Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)

Titel: Kabbala-Box (2 Romane in einem Band) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Regner
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nicht entgehen lassen wollen.
      Endlich erblicke ich ein Taxi und winke heftig, aber es fährt vorbei. Ich komme mir wie in einem dieser Filme vor, die in New York spielen, und in dem die schön angezogenen Damen und Herren mit Handwinken ein Taxi bestellen.
      Der Hauch eines ironischen Lächelns huscht an mir vorbei und schnappt mich fast. Einmal – vor Jahren – wollte ich die Koffer packen und einfach abhauen, nach New York oder irgendw ohin, Hauptsache weg. Warum hatte ich es nicht getan? Tja, es gab ja keinen Grund abzuhauen. Im Prinzip hat man in Österreich alles was man braucht, warum also ein Drama veranstalten, bzw. hervorrufen, wo keines stattfindet? Heute, so denke ich mir, hätte ich abreisen sollen, schon allein wegen der Erfahrung, die man macht, ein fremdes Land bzw. eine fremde Stadt zu besuchen und dort für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit zu leben.
      Ich winke wieder einem Taxi zu und schreie dabei. Meine Stimme hört sich kümmerlich an. Und das Taxi zieht eisern an mir vorüber. „Na, heute wieder gegen Homos?“, schreie ich dem Taxi hinterher. Ist mir schon passiert in Graz. Da war ich mit Freunden unterwegs und wir wol lten uns ein Taxi nach Hause gönnen. Am Taxistand nahe Geidorfplatz sahen wir zwei davon. Wir gingen hin, sagten unsere Zielwünsche und wollten in das jeweilige Taxi einsteigen. Da sagte der erste Taxilenker, er hätte eine Panne und der zweite Taxilenker sagte, dass er mit seinem Kollegen warten müsse. Kurz darauf, als der nächste Funkspruch hereinkam, fuhren Taxi Nummer 1 und 2 einfach davon und von einer Panne war keine Spur zu erkennen. Das ist Graz und jetzt kommt’s, beides waren natürlich Ausländer! Mir fällt nur der typische Spruch ein, den die Einheimischen oft sagen: „Typisch, im eigenen Land ein Ausländer.“ Ich glaube jetzt zu wissen, warum in Österreich die FPÖ solch enorme Wählerfortschritte macht und die Grünen oder die Liberalen (von den Roten und den Schwarzen möchte ich nichts erzählen, denn belügen kann ich mich auch selber) keine Fortschritte machen. Ich denke an Deutschland, den großen Bruder und an das Werk Thilo Sarrazins Deutschland schafft sich ab und ob an diesem Szenarienspiel etwas dran sein könnte. Denn, als ich noch jung war, galt Deutschland als das Wunderland Europas, zumindest bezeichneten es die Erwachsenen in meiner näheren Umgebung so. Heute nicht mehr.
      Ich winke wieder einem verdammten Taxi zu und endlich bleibt eines stehen. Ich steige ein und sage, dass ich in die Moserhofgasse chauffiert werden möchte. Ein Mann mit sehr schlechtem Deutsch fragt mich, wie man dorthin komme. Ich navigiere ihm die Strecke.
      Die Atmosphäre in der Innenstadt ist spürbar aggressiver, weil immer mehr Leute (meist junge) zu ihren Saufgelagen aufbrechen und während ihrer Wanderung Spuren von Essens- und Trinkresten (McDonalds-Pappe und Bierdosen) hinterlassen, da sie die beleuchteten Mülleimer nicht finden oder nicht sehen oder nicht sehen wollen. Den Müll auf die Straße zu werfen und dabei laut zu lachen und zu grölen ist einfach cooler, genau dieses Verhalten zieht heutzutage junge Mädels von knapp 12 Jahren an. Weil die in ihren verschobenen Gehirnwindungen denken: Wow, ist der mutig, das würde ich mich nicht trauen .
      Ein Hubschrauber fliegt über uns hinweg, wahrscheinlich Rettungsversuche von Betrunkenen am Steuer, die auf der Autorbahn eine Rally veranstaltet haben.
      Jetzt rast ein Krankenwagen an uns vorbei. Die Dunkelheit um mich, die schwach-wirkenden Lichter der Stadt Graz, das Knirschen der Autoreifen über dem Parkett, alles ist heller und intensiver als sonst.
      Hausmauern werden von Menschen ebenso angepisst, wie wenn Hunde ihr Beinchen heben.
      Ich komme an, der Taxifahrer wird bezahlt.
     
    Zuhause nehme ich mir Zeit und dusche. Alles muss abgewaschen sein, ich versuche den Dreck loszuwerden. Mit meinen Füßen stampfe ich auf den Abfluss, damit der Dreck auch wirklich verschwindet. Es scheint spät zu sein. Weit entfernt vernehme ich das Heulen einer Sirene, die ein bereits geschehenes Unglück verkündet. Rettung naht, haltet durch!
      Ich schreibe Samuel, dass ich ihn lieb habe und er mein bester Freund sei und mir vertrauen könne, dass ich wieder auf die Beine komme und der lebenslustige Mensch werde, der ich einmal war. Aber von dem heute nicht mehr viel übrig ist.
      Und der einzige Kampf im Leben, den man nicht verlieren darf, ist der Kampf ums Loslassen, den Hunger nach

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