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Kabeljau und Kaviar

Kabeljau und Kaviar

Titel: Kabeljau und Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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früher mit ihm zusammen im Chor gesungen hatte, obwohl
Max eine Baritonstimme hatte und allenfalls Lieder wie They’re hanging Danny
Deever in the morning sang, und das auch nur, wenn er sich rasierte oder
die Socken anzog. Durward kam somit für seine Zwecke nicht in Frage.
    Obed Ogham konnte er sich
selbstverständlich ebenfalls abschminken. Dieser demonstrierte deutlich, daß er
von Jems Neffen keinerlei Notiz nahm, wobei er immer wieder zu Max
hinüberschielte, um sich zu versichern, daß dieser auch ja merkte, daß er
ignoriert wurde. Max fragte sich, wie viele der Anwesenden sich wohl wünschten,
gleichermaßen übersehen zu werden. Ogham gehörte zu jenem Menschenschlag, der
andere in eine Ecke drängt und lautstark mit Anekdoten nervt, ungeachtet der
Proteste seiner Opfer, welche die Witze allesamt schon kannten und auch beim
ersten Mal nicht besonders komisch gefunden hatten. Max verspürte einen Anflug
von Familienstolz bei dem Gedanken an Jems Geschmack und Urteilsfähigkeit, was
diesen Mann betraf, und war gleichzeitig erleichtert, daß es ihm erspart blieb,
von dieser lauten, arroganten Stimme in Grund und Boden geschwatzt zu werden.
Die Busfahrt schien verteufelt lange zu dauern, obwohl Max’ Armbanduhr ihn über
das Gegenteil aufklärte. Er war daher erleichtert, als sie endlich die Straße verließen
und einen sorgfältig freigeschaufelten Privatweg hochfuhren. Ungefähr
zweihundert Meter weit sah er nur schneebedeckte Bäume, dann folgte eine große
verschneite Fläche, bei der es sich offenbar um eine Rasenanlage handelte. Dann
hob ein allgemeines Geschrei an: »Da ist er! Da ist der Zug!«
    Und dort war er: ein vor dem riesigen
Landhaus auf dem Hügel im Hintergrund zwar winzig wirkender, aber strahlend
hell erleuchteter Zug, der selbstbewußt auf seiner Gleisschleife vor einem mit
Weihnachtsgrün geschmückten Miniaturbahnhof wartete. Neben dem Trittbrett stand
ein prächtig herausgeputzter Schaffner, der viel Aufhebens um eine vernickelte
Remontoiruhr machte und rief: »Einsteigen! Alles einsteigen! Bitte zügig, meine
Herrschaften!«
    Das also war ihr Gastgeber, Tom
Tolbathy. Seine Frau erwartete ihre Gäste bereits im Salonwagen, um jeden zu
begrüßen, der den Zug bestieg. Mrs. Tolbathy war wirklich eine phantastische
Imitation von Margaret Dumont, dachte Max, mit der silbernen Litze über ihrem
straffen Mieder, den weißen Ziegenlederhandschuhen, die bis zu den Achseln
reichten, und den Perlenschnüren bis zu den Knien. Sie hatte offenbar trotz der
Schnauzbärte keinerlei Probleme, die Anwesenden auseinanderzuhalten, schaute
jedoch ein ganz klein wenig verblüfft drein, als Max Bittersohn seinen Zylinder
lüftete und sich vor ihr verbeugte.
    »Darf ich dir Jeremy Kellings Neffen
Max vorstellen, Hester«, wiederholte Marcia Whet zum ungefähr fünfzehnten Mal.
»Der arme Jem hat sich gestern abend die Hüfte gebrochen und deshalb Max
genötigt, mich zu begleiten.«
    »Wie furchtbar«, sagte Hester Tolbathy.
»Damit meine ich natürlich nicht Sie, Max. Ich darf Sie doch so nennen, nicht?
Es ist sehr liebenswürdig von Ihnen, für Jem einzuspringen, und wir freuen uns
sehr, Sie bei uns begrüßen zu dürfen. Zu welchem Zweig der Kellings gehören Sie
denn?«
    Max begann zu erklären, daß es sich
lediglich um einen aufgepfropften Zweig handelte, doch in dem Moment wuchtete
Tom Tolbathy gerade den alten Wripp das Trittbrett hoch, so daß Hester sich dem
ältesten Clubmitglied zuwenden und sich nach seinen diversen Beschwerden
erkundigen mußte, angefangen vom Grauen Star bis hin zur Gicht im kleinen Zeh.
Da dies offensichtlich einige Zeit in Anspruch nehmen würde, ließ sich Max
gemeinsam mit Marcia Whet durch den Salonwagen mit dem eleganten goldroten
Damastdekor schieben, bis sie in einen Teil des Zuges gelangten, bei dem es
sich um den ehemaligen Kohlentender handeln mußte, den man in eine Art
Mehrzweckwagen umgewandelt hatte. An der Wand waren zahlreiche Kleiderhaken aus
Messing und Mahagoni angebracht, und in der Mitte stand ein bauchiger
Kanonenofen, der eine beinahe unerträgliche Hitze verströmte.
    Ein hübsches, etwa zwölf Jahre altes
Mädchen in einem langen Samtkleid mit einem Spitzenkragen nahm die Mäntel
entgegen. Es entpuppte sich als Enkelin der Tolbathys und zeigte Marcia Whet,
die eine enge Freundin der Familie zu sein schien, stolz sein passendes
langbeiniges Spitzenhöschen und jammerte, man wolle es aus dem Zug werfen und
ins Bett stecken, bevor der Zug abfuhr, fand

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