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Kabeljau und Kaviar

Kabeljau und Kaviar

Titel: Kabeljau und Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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Marcia eine stattliche Erscheinung. Zehn Meter Rock, eine
Tournüre, Gott weiß wie viele Petticoats, der pelzbesetzte Mantel, eine
Fuchsschwanzboa, ein passender Muff von den Ausmaßen eines Sofakissens und als
Krönung ein Hut, der so groß war, daß ein ausgestopfter Fasan darauf Platz
hatte, was tatsächlich der Fall war; all das trug nicht dazu bei, die
Silhouette der Dame zu verkleinern. Nur unter ziemlicher Mühe und einigen diskreten
Schubsern gelang es, sie im Wagen zu verstauen, doch weder ihre würdevolle
Haltung noch ihre gute Laune wurden dadurch auch nur im geringsten
beeinträchtigt. Als sie schließlich an der North Station ankamen, nannte sie
ihn bereits Max, und er hatte allmählich den Eindruck, daß er den Abend auch
ohne Sarah überstehen würde.
    An den Gleisen waren bereits mehrere
andere Gäste der Tolbathys aufgereiht, in passenden Kostümen und blendend
aufgelegt, und warteten nur darauf, in den leider ziemlich modernen Bus
einzusteigen, der sie zur ersten Station ihrer Reise bringen sollte. Marcia
Whet stürzte sich mitten hinein ins Gewühl, hielt Max dabei an der Hand und
stellte ihn überall als ihren lieben, alten Freund Mr. Jay Gould vor. Er
erntete indes mehr verwirrte als bewundernde Blicke. Die Leute fragten sich
offenbar entweder, wo sie ihn schon einmal gesehen hatten, oder nahmen sich
stillschweigend vor, nach der Party ein paar Worte mit Mr. Whet über die ganze
Angelegenheit zu wechseln, sobald er aus Nairobi zurückgekehrt war.
    Max seinerseits mühte sich, die Brüder
des Geselligen Kabeljaus voneinander zu unterscheiden, was ihm einige
Schwierigkeiten verursachte. Schon als er das Gruppenfoto betrachtet hatte, war
ihm aufgefallen, daß sich die fischliebenden Freunde hervorragend in die Rubrik
› Gleich und gleich gesellt sich gern‹ einordnen ließen. Offenbar waren
sie wie Plätzchen alle aus dem gleichen Teig und mit der gleichen Aussteckform
gemacht worden, dachte er verärgert. Außerdem trugen sie praktisch alle riesige
Schnauzbärte, genau wie Jem vorausgesagt hatte. Dem Umsatz von Fuzzleys’ mochte dies zwar überaus
förderlich sein, Bittersohns Zwecken jedoch keineswegs. Wenn sie sich erst
einmal ihrer Mäntel entledigt hatten und in ihrer konventionellen
Abendgarderobe nebeneinander standen, was zweifellos zu erwarten war, konnte er
ebensogut versuchen, eine Schar Pinguine auseinanderzuhalten.
    Aber möglicherweise gelang es ihm doch
im Laufe des Abends, die einzelnen Brüder zu identifizieren, denn sie selbst
hatten offenbar keinerlei Probleme, einander zu erkennen — Pinguine allerdings
wohl auch nicht.
    Was ihn selbst anging, war es kaum
denkbar, daß eine Yankee-Versammlung, deren Familien sich zweifellos schon seit
Generationen miteinander vermischt hatten, eine Karikatur von Jav Gould
erkennen würde. Marcia Whet erklärte gerade, daß ihr Begleiter in Wirklichkeit
der Neffe des lieben alten Jeremy Kelling und liebenswürdigerweise für seinen
Onkel eingesprungen sei, da dieser durch einen schrecklichen Unfall leider
verhindert sei. Sie beschrieb Jeremys Sturz mit großer Eloquenz und diversen
dichterischen Freiheiten, woraufhin einige der Anwesenden voller Mitgefühl,
andere indes mit Hohn reagierten. Max nahm an, daß diejenigen Brüder, die sich
noch nicht von den Nachwirkungen der letzten Scrooge-Feier erholt hatten, wohl
zu der zweiten Gruppe gehörten.
    Zumindest boten ihm die Spötter einen
gewissen Anhaltspunkt. Bruder Durward ließ sich relativ leicht anhand seiner
extrem dicken Brillengläser identifizieren, Bruder Wripp anhand seiner beiden
Stöcke und des Eindrucks fortgeschrittener Gebrechlichkeit. Auch bei Bruder
Dork und Bruder Billingsgate war sich Max inzwischen einigermaßen sicher. Die
beiden waren Nachbarn der Tolbathys und hatten sich mitsamt ihren Schnauzbärten
eigenhändig nach Boston chauffiert, nur um mit dem Zug wieder zurückfahren zu
können.
    Max erkannte Bruder Ogham, als einer
der Schnauzbärte ihm die kalte Schulter zeigte, und amüsierte sich königlich
bei dem Gedanken, daß der einzige Grund dafür seine angebliche Verwandtschaft
mit Jem war. Der Kelling-Clan war derart weit verzweigt, daß bisher noch
niemand versucht hatte, herauszufinden, auf welchem Ast Max wohl nistete.
Außerdem war es eine völlig neue Erfahrung, zur Abwechslung einmal als Kelling
verachtet zu werden und nicht als Bittersohn.
    Im Zug befanden sich nur wenige
Fahrgäste, die nicht auf dem Weg zur Party waren, was wahrscheinlich ganz gut
war.

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