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Kabeljau und Kaviar

Kabeljau und Kaviar

Titel: Kabeljau und Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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sein.«
    Alles, was Max dazu sagen konnte, war:
»Am besten holen wir einen Arzt. Wie weit sind wir vom Haus entfernt?«
    Tom schüttelte den Kopf, als wolle er
einen klaren Kopf bekommen. »Zuerst muß ich herausfinden, wo wir überhaupt
sind. Es ist so verflucht dunkel da draußen — «
    Er nahm eine batterieangetriebene
Laterne von einem Haken hinter dem Schaltpult und lehnte sich aus dem Fenster
des Führerstandes. Max beugte sich erneut über Wouter Tolbathy. Dafür, daß er
Doktor der Kunstgeschichte und nicht der Medizin war, kannte er sich mit
Leichen erstaunlich gut aus. Und daß Wouter tot war, stand außer Zweifel.
    Möglicherweise war er ja an den Folgen
der plötzlichen Vollbremsung gestorben, weil er gegen die eisernen Wände des
Führerstandes geschleudert worden war. Doch das war offenbar nicht der Fall. Es
fand sich keine Verletzung am Hinterkopf, er blutete weder aus Mund noch Nase.
Die ganze Szene erinnerte vielmehr an einen dieser Kriegsfilme, in denen ein Sonderkommando
in eine Lokomotive eindringt, dem Lokführer einen schnellen Handkantenschlag
gegen die Kehle verpaßt und den Zug übernimmt.
    Max hatte zwar bisher keine Erfahrung
mit derartigen Attacken, doch kam es ihm ganz so vor, als ob Wouters Adamsapfel
auf verräterische Weise eingedrückt war.
    Er hielt es für besser, Tom Tolbathy
davon vorerst nichts zu sagen. Wouters Bruder benötigte momentan offenbar seine
ganze Kraft, um seine Selbstbeherrschung nicht völlig zu verlieren. Er sah aus
wie der leibhaftige Tod, als er seinen Kopf wieder in das Innere des
Führerhäuschens zurückzog.
    »Wir befinden uns genau am anderen Ende
der Schleife, etwa drei Kilometer vom Haus entfernt.«
    »Gibt es hier irgendeine Möglichkeit zu
telefonieren?«
    »Nein, wir sind mitten in einem
Naturschutzgebiet. Dazu müssen wir zurück zum Bahnhof. Dort befindet sich das
nächste Telefon. Hoffen wir nur, daß die Lok noch funktioniert.«
    Als Tom sich dem Schaltpult zuwandte,
stolperte er über den Körper seines toten Bruders. Max hatte den Eindruck, als
drohe Tom jeden Moment ohnmächtig zu werden.
    »Wir müssen Wouter hier rausschaffen.
Können Sie seine Füße nehmen, Max? Wir legen ihn in den Tender und decken ihn
mit einem Tischtuch zu, bis — «
    »Ich glaube, wir sollten ihn besser
nicht bewegen«, sah Max sich gezwungen, ihm mitzuteilen.
    »Warum denn nicht, um Himmels willen?
Ich ertrage es nicht, wenn er hier so liegt. Es gehört sich einfach nicht. Mein
Gott, wie konnte das bloß passieren?«
    »Diese Frage stellen wir vielleicht
besser der Polizei.«
    »Wie meinen Sie das? Was hat denn die
Polizei mit einem Herzinfarkt zu tun?«
    »In Fällen wie diesem zieht man immer
die Polizei hinzu. Außerdem fürchte ich, daß es gar kein Herzinfarkt war. Er
hat eine Luftröhrenfraktur.«
    »Eine Luftröhrenfraktur? Sie meinen — aber
wie konnte das geschehen? Es sei denn, ihm ist schwindelig geworden oder so
etwas, er hat eine Vollbremsung gemacht, und durch den plötzlichen Ruck — «
    »Der Ruck hätte ihn tatsächlich
umbringen können, da gebe ich Ihnen recht. Ich würde auch lieber glauben, daß
es sich so zugetragen hat, wenn er nur irgendeine Verletzung an der Stirn, eine
blutige Nase oder ein blaues Auge hätte. Aber ich will verflucht sein, wenn es
in diesem Führerstand irgend etwas gibt, das ihn derart hart am Hals getroffen
haben kann, ohne auch nur eine Schramme an seinem Kinn zu hinterlassen. Meiner
Meinung nach ist es sehr viel wahrscheinlicher, daß er schon tot war, als der
Zug stoppte, und ich fürchte, wir kommen in Teufels Küche, wenn wir hier irgend
etwas verändern, bevor die Polizei sich alles angesehen hat.«
    Tolbathy starrte Bittersohn einen
Moment lang schweigend an. Dann beugte er sich mit einiger Mühe über die Leiche
seines Bruders und griff nach dem Schalthebel.
    »Wouter?« Jemand versuchte, den
Führerstand zu betreten. »Wouter, bist du da?«
    »Ich bin hier«, rief Tom. »Was ist denn
los, Quent?«
    Die Tür öffnete sich, und ein Kopf
erschien. »Hester schickt mich, ich soll herausfinden, was passiert ist. Einige
Fahrgäste sind ordentlich durchgeschüttelt worden, und sie hat Angst, daß der
alte Wripp sich etwas gebrochen hat. Was soll ich ihr sagen?«
    »Sag ihr, daß Wouter einen — einen
Unfall gehabt hat und daß wir jetzt nach Hause fahren, um einen Arzt zu holen.«
    »Was ist denn mit dir, Wouter?« Es war
der Mann mit den dicken Augengläsern, der vorhin im Bus Max für seinen alten
Sangesbruder

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