Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kabeljau und Kaviar

Kabeljau und Kaviar

Titel: Kabeljau und Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
Vom Netzwerk:
Weihnachtsfeier
dramatischer zu gestalten. Max seufzte und fuhr mit seiner Befragung fort.
    »Wer kann außer Ihnen und Ihrem Bruder
noch mit diesem Zug umgehen?«
    »Fast jeder, wenn man es ihm erklärt«,
erwiderte Tom Tolbathy. »Diese Hebel sind wirklich ganz leicht zu bedienen.
Wouter und ich hätten zwar lieber eine richtige alte Dampflok gehabt, aber das
war einfach zu unpraktisch. Es dauert zu lange, sie aufzuheizen, wissen Sie.
Und dann der Rauch und der ganze Ruß und die Gefahr, daß die Funken den Wald in
Brand setzen, ganz zu schweigen vom Kohleschaufeln. Außerdem braucht man dazu
eine Zweimannbesatzung, was natürlich schlecht ist, wenn nur einer von uns sie
fahren will — wollte, muß ich wohl sagen. Also haben wir uns darauf geeinigt,
diese hier bauen zu lassen. Sie sieht aus wie ein echter Oldtimer, wird aber
von einer Batterie betrieben. Deshalb haben wir auch hinter dem Führerstand
Platz für einen Garderobenraum. Wir haben den alten Kanonenofen hineingestellt,
um die richtige Atmosphäre zu schaffen und ein bißchen echten Dampf für den
Schornstein zu haben. Alles nur nachgemacht und lächerlich, aber was soll’s.«
    Er streckte den Arm aus und griff nach
einem der Hebel. »Die meisten unserer Freunde haben irgendwann mal versucht,
sie zu fahren.«
    »Demnach hätten die plötzliche
Beschleunigung und die Vollbremsung sehr wohl von der Person verursacht werden
können«, überlegte Max, »die ins Führerhäuschen eingedrungen ist und Ihren
Bruder ermordet hat.«
    »Ja, durchaus. Ich nehme an, Sie
könnten sie auch fahren, Sie müßten mir nur Zusehen. Jetzt, wo Sie es sagen,
scheint mir Ihre Theorie durchaus wahrscheinlich. Wouter hätte nie derartige
Scherze gemacht, schon gar nicht, wenn sich Gäste im Zug befinden. Er selbst
mochte Partys eigentlich nicht besonders, doch er wußte, wie wichtig es für
Hester ist, daß alles wie am Schnürchen läuft. Ich kann mir beim besten Willen
nicht vorstellen, warum er so etwas mit Absicht getan haben sollte. Mein Gott,
wenn ich doch bloß schneller hergekommen wäre! Wenn ich doch nur nicht das
Gleichgewicht verloren hätte, als der Zug bremste — «
    »Das ist uns doch genauso gegangen«,
erinnerte ihn Max. »Vielleicht hat der Mörder die ganze Sache nur inszeniert,
damit er ungesehen verschwinden konnte, während alle anderen versuchten, wieder
auf die Füße zu kommen. Wenn wir die Fahrgäste zurückgebracht haben, wäre es
vielleicht ganz nützlich, zu der Stelle zurückzufahren, wo der Zug angehalten
hat, um den Schnee nach Fußspuren zu untersuchen.«
    »Ich denke, ich werde schon jemanden
finden, der Sie mit der Lokomotive hinfährt.« Tolbathy war noch immer höflich,
klang jedoch völlig erschöpft. »Ich bezweifle allerdings, daß ich das selbst
tun kann, denn zu allem Übel hat noch niemand zu Abend gegessen, und die
Fahrgäste müssen ja auch irgendwie nach Hause kommen. Keiner ist mit dem
eigenen Wagen da, und ich glaube kaum, daß irgend jemand Lust verspürt, wieder
nach Lincoln Station zurückzukehren. Übrigens, hat Quent nicht eben gesagt, daß
Wripp ziemlich schwer verletzt ist?«
    »Ja. Quent ist Bruder Durward, nicht?
Er scheint mich für einen alten Freund zu halten, aber ich kann mich nicht
erinnern, ihm schon einmal begegnet zu sein.«
    »Er hat Sie mit jemandem verwechselt,
das ist alles. Seine Augen sind so schlecht, daß er ständig Leute verwechselt.
Als Zeuge ist er völlig unbrauchbar, aber sonst ein netter Kerl. Er und Wouter
waren dicke Freunde. Ihr Onkel Jem kennt ihn natürlich auch, Sarahs Onkel, sollte
ich wohl sagen. Max, würden Sie mir den Gefallen tun und nachsehen, was sich da
hinten abspielt?«
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, allein
mit — «
    »Schon gut.«
    Tolbathys Gesicht war unbewegt, sein
Blick starr auf die Schienen gerichtet, von denen der Schnee so sorgfältig
entfernt worden war. Wie würde er von nun an über sein kostbares Spielzeug
denken? Vielleicht war dies seine letzte Fahrt damit. Eine Schande, dachte Max,
als er den falschen Kohlentender betrat.
    Viel Platz gab es hier nicht, denn
neben dem kleinen Ofen befand sich auch noch ein Stapel Feuerholz. Das
Kanonenöfchen selbst stand auf einem Podest aus Zink, damit es den Holzboden
nicht in Brand setzen konnte. Die Garderobenhaken waren in die Wand
eingelassen, in gebührender Entfernung von der Hitze. Die Mäntel, die dort
hingen, waren offenbar nicht heruntergefallen, als der Zug so abrupt gebremst
hatte, es sei denn, jemand hatte sich

Weitere Kostenlose Bücher