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Kabeljau und Kaviar

Kabeljau und Kaviar

Titel: Kabeljau und Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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die Mühe gemacht, sie wieder aufzuhängen.
Max sah sich die Garderobe genauer an.
    An den Haken hingen schwere Herrenmäntel,
uralte Nerzmäntel, schäbige Biber und voluminöse Capes aus Wolle oder Samt,
zahlreiche mögliche Verstecke, wenn jemand es eilig hatte, sich neugierigen
Blicken zu entziehen. Doch jetzt war anscheinend niemand mehr hier. Max schritt
die Reihe ab und überprüfte jeden Mantel, um ganz sicher zu gehen, daß sich
niemand dahinter verbarg.
    Dann hob er den brodelnden Wasserkessel
an und schaute in das Innere des Ofens. Er sah nur rötlichgelbe Glut, doch das
mußte nicht bedeuten, daß hier nicht jemand vor kurzem etwas hineingeworfen
hatte. Diese Eisenöfen mit geschlossener Feuerung wurden höllisch heiß. Seit
der Vollbremsung war soviel Zeit vergangen, daß ein leichter Gegenstand, etwa
ein falscher Bart, inzwischen völlig verbrannt sein konnte. Um sich dessen zu
versichern, beschloß Max mit einigem Bedauern, seinen eigenen schmucken
Schnauzbart zu opfern, zog ihn ab und beförderte ihn in den Ofen. Er loderte
nur kurz auf und war verschwunden, ehe er noch die Kohlen berührt hatte. Wenn
es hier etwas zu finden gab, konnte man es höchstens aus der Asche
herausfiltern, nachdem der Ofen abgekühlt war.

Kapitel 6
     
     
     
     
     
     
     
    M ax machte sich auf in den Salonwagen,
wobei er an Quent Durward vorbeikam, der sich als Wachhund im Vorraum postiert
hatte, wie man es ihm aufgetragen hatte. »Wie geht es Wouter?« wollte er
wissen, da er Max diesmal tatsächlich erkannt hatte. Vielleicht nahm er aber
auch einfach an, daß jeder, der aus der Lokomotive kam, darüber Bescheid wissen
mußte.
    »Den Umständen entsprechend«, teilte
Max ihm mit und ging weiter. Sie alle würden die Wahrheit früh genug erfahren.
Zum jetzigen Zeitpunkt hatten die Fahrgäste ohnehin genug mit ihren eigenen
Problemen zu tun, dachte Max, als er den vor kurzem noch so eleganten
Salonwagen betrat.
    Diejenigen, die nicht mehr allzu
benommen aussahen oder sich um ihre eigenen Verletzungen oder die ihrer Freunde
kümmerten, versuchten vergeblich, etwas Ordnung in das Chaos zu bringen.
Zusätzlich zu der fest im Boden verankerten Einrichtung des Zuges hatte man
zahlreiche Stühle sowie ein paar Tische zur Bequemlichkeit der Fahrgäste
aufgestellt. Dabei handelte es sich um ganz leichte Möbelstücke, die natürlich
heftig durcheinandergewirbelt worden waren, als der Zug so unversehens gehalten
hatte. Kristallgläser, Servietten, Aschenbecher, perlenverzierte Handtaschen,
Handschuhe, Fächer, Riechfläschchen, Lorgnettes, Kneifer und Monokel, welche
die Gäste beiseite gelegt, nachdem sie einander genügend beeindruckt hatten,
waren zu Boden geregnet.
    Dazwischen lagen Unmengen von
Glassplittern. Es war gefährlich, sie einfach liegenzulassen, doch konnte man
im Augenblick nichts weiter unternehmen, als die Scherben eine nach der anderen
aufzuheben. Besen und Kehrbleche gab es nicht, da sie, wie Hester Tolbathy
wieder und wieder erklären mußte, immer erst aus dem Haus herbeigeholt wurden,
wenn der Zug gereinigt werden sollte, um anschließend wieder dorthin
zurückgebracht zu werden. Sie bat ihre Gäste inständig, sich nicht um das
Durcheinander zu kümmern, was diese natürlich zu noch größeren Aktivitäten
anspornte; wie üblich, wenn eine Gastgeberin verzweifelt darum bemüht ist, ihre
Gäste davon abzuhalten, wild durcheinanderzulaufen, damit sie die Lage wieder
unter Kontrolle bekommen kann. Eine vornehme Matrone jedoch verspürte nicht die
geringste Lust, ihre Petticoats den Scherben auszusetzen. »Warum kümmert sich
das Dienstpersonal nicht darum?« verlangte sie spitz zu wissen.
    »Das Dienstpersonal? Ach so, Sie meinen
die Leute vom Party-Service«, sagte die leidgeprüfte Gastgeberin. »Ich nehme
an, sie sind der Meinung, daß dies nicht zu ihren Aufgaben gehört, womit sie
vollkommen recht haben. Außerdem haben sie bestimmt auch so alle Hände voll zu
tun. Weiß der Himmel, was mit dem ganzen Essen passiert ist, das sie für das
Buffet vorbereitet hatten. Könnte bitte mal jemand nachschauen? Ich möchte
meinen Patienten nicht gern allein lassen.«
    Sie saß auf dem Boden, hielt Wripps
Kopf auf dem Schoß und verabreichte ihm mit einem Teelöffel schlückchenweise
Brandy. Er sah schlimmer aus als Wouter Tolbathy.
    »Ich gehe schon«, sagte Max. Das hatte
er sowieso vorgehabt. Da er bei weitem der jüngste und gewandteste unter den
Anwesenden war, befand er sich bereits im Dienstabteil, bevor

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