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Kabeljau und Kaviar

Kabeljau und Kaviar

Titel: Kabeljau und Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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serviert
hat, sie trug.«
    »Welcher Mann? Ach so, Sie meinen den
Sommelier. Unsinn, Bittersohn. Der gehörte doch zum Party-Service. Es ist
durchaus üblich, daß ein Sommelier eine derartige Kette trägt.«
    »So eine Kette nicht! Der
Kabeljau-Anhänger ist entfernt worden, und statt dessen war ein silberner
Korkenzieher daran befestigt, doch die Kette selbst war identisch mit der, die
Jem bei seinem Amtsantritt erhielt. Sie können mir ruhig glauben, Tom. Sie ist
ziemlich ausgefallen, man könnte sogar sagen einzigartig. Gestohlener Schmuck
gehört zu meinen Spezialgebieten, und ich habe ein ausgezeichnetes Auge für
Details.«
    »Ach so, jetzt weiß ich auch, wer Sie
sind. Sie haben doch damals der jungen Sarah Kelling geholfen, die Sache mit
den Kelling-Rubinen zu klären. Ich wußte gar nicht, daß sie Sie geheiratet
hat.«
    Tolbathys Stimme klang jetzt reserviert
und höflich distanziert. Selbst als er breitbeinig über dem Körper seines toten
Bruders stand, um die Schalthebel zu erreichen, konnte er nicht vergessen, wer
er war und wer Bittersohn war. Sarah beschwerte sich immer, daß sie von Max’
Mutter genauso behandelt wurde.
    »Ich weiß leider überhaupt nicht,
worauf Sie eigentlich hinauswollen«, fuhr er fort. »Warum sollte ein Fremder
sich hier bei uns einschleichen, die Große Kette tragen und dann meinen Bruder
ermorden? Warum sollte überhaupt irgend jemand meinen Bruder ermorden?« Tom
Tolbathy räusperte sich kurz. »Wouter war der friedfertigste Mensch, den man
sich vorstellen kann. Er hatte keinen einzigen Feind auf der ganzen Welt. Das
klingt zwar abgedroschen, aber bei Wouter war es wirklich so. Glauben Sie mir,
ich hätte bestimmt davon gewußt. Wouter und ich standen uns immer«, seine
Stimme zitterte jetzt wieder, »sehr nahe.«
    Es war wirklich abscheulich, einen
Menschen in dieser Situation noch weiter zu quälen, aber Max ließ nicht locker.
»Wohnte er in Ihrer Nähe?«
    »Er wohnte sogar bei uns im Haus.
Wouter hat nie geheiratet. Eigentlich hat er überhaupt nie irgend etwas
Richtiges getan, wenn man es genau bedenkt, außer herumzuwerkeln, sich mit
allen möglichen Dingen zu beschäftigen und mit seiner Eisenbahn zu spielen.
Aber Wouter war ein glücklicher Mensch. Es war schön, ihn um sich zu haben. Als
die Kinder noch klein waren, hat er ihnen Geschichten erzählt, dann ist er mit
ihnen durch die Wälder spaziert und hat ihnen gezeigt, wie man Züge fährt. Mein
Gott, wie soll ich es ihnen bloß beibringen?«
    Das war Toms Problem, nicht das von Max
Bittersohn. »Ihr Bruder war auch Ihr Geschäftspartner, nicht wahr?«
    »Das ist richtig. Ja, das war er
tatsächlich.« Tolbathy schien ein wenig überrascht, daran erinnert zu werden.
    »Welche Funktion hatte er in der
Firma?«
    »Schwer zu sagen. Wir haben nur einen
kleinen Familienbetrieb, wissen Sie. Von Hierarchien halten wir nicht besonders
viel. Wouters offizieller Titel war Vizepräsident, aber er war eigentlich
Mädchen für alles. Er war sehr flexibel und ist immer eingesprungen, wo gerade
Not am Mann war.«
    Vermutlich hatte er die Post sortiert
und die Schokoladen-Nikoläuse ausgepackt. Max hatte schon gelegentlich mit
alten Familienbetrieben zu tun gehabt und noch nie einen gefunden, in dem nicht
auch ein oder zwei Wouter auf der Lohnliste standen. Oft waren sie inkompetent,
manchmal die reinsten Nervensägen, doch waren sie selten jemandem ein solcher
Dorn im Auge, daß ihretwegen komplizierte Mordpläne geschmiedet wurden. Im
großen und ganzen schien Wouter ein recht unwahrscheinliches Opfer. Und doch
lag er jetzt zusammengekrümmt zu Füßen seines Bruders, weil ihm jemand höchst
professionell das Genick gebrochen hatte. War er umgebracht worden, weil er
Wouter Tolbathy war? Und wenn nicht, was konnte das Motiv sein?
    In Filmen wurden Lokführer immer aus
dem Weg geräumt, weil entweder die Helden oder die Schurken den Zug brauchten,
um irgendwohin zu gelangen, und sie handelten entweder aus edlen oder
eigennützigen Motiven, je nachdem, auf welcher Seite sie standen. Doch dieser
Zug fuhr nirgendwohin und schien keinen bestimmten Zweck zu erfüllen. Er war
offenbar lediglich ein kostspieliges Vergnügen für die Tolbathys und deren
Freunde. Es war wohl kaum anzunehmen, daß ein Bruder vom Club des Geselligen
Kabeljaus so vom Geist des Scrooge-Tages übermannt worden war, daß er dem
Allerwertesten Fischkopf einen derart bösartigen Streich gespielt und den
Bruder von Marleys Geist ermordet hatte, nur um die

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