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Kabeljau und Kaviar

Kabeljau und Kaviar

Titel: Kabeljau und Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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tief und unberührt, selbst neben
den freigeräumten Gleisen. Er hätte natürlich auch auf den Gleisen laufen
können, vorausgesetzt, er war schneller als der Zug. Doch warum hätte er das
tun sollen? Die Gleise hätten ihn doch nur wieder zurück zum Bahnhof geführt.
    Er hätte sich auch von einem Helikopter
hochziehen lassen oder ein Lasso um einen Ast werfen und sich wie Tarzan daran
fortschwingen können. Die Vorstellung, daß dieser geschniegelte Mann mit der
Großen Kette der Brüder des Geselligen Kabeljaus um den Hals sich durch die
Baumkronen schwang, erschien Max indes reichlich extravagant. An Schneemobile
und Hundeschlitten vermochte er ebenfalls nicht so recht zu glauben.
    Der Zug mußte die Schleife mindestens
einmal ganz umrundet haben, bevor er mit einem Mal beschleunigt und dann
angehalten hatte. Sie waren zwar die ganze Zeit recht langsam gefahren, aber
doch nicht gerade im Schneckentempo. Das ließ sich sicher später mit Tom
Tolbathys Hilfe nachprüfen. Es war jedenfalls durchaus möglich, daß der falsche
Sommelier genau hier am Bahnhof abgesprungen war. Auf diese Weise hätte er
keine auffälligen Spuren hinterlassen, doch dann mußte er den Zug bereits
verlassen haben, als Wouter umgebracht worden war.
    Aber warum war er überhaupt in dem Zug
gewesen? Warum hatte er die Vorstellung mit dem Kaviar gegeben? Und wie hätte
er den Zug unbemerkt verlassen können?
    Zwei der drei Frauen vom Party-Service
hatten sich im Speisewagen aufgehalten, als der Sommelier verschwunden war, die
eine hatte gerade Cocktailhäppchen vorbereitet, die andere hatte sie den Gästen
angeboten. Wo war die dritte Frau zu dem Zeitpunkt? Wenn sie ebenfalls nicht im
Dienstabteil gewesen war, hätte der Mann die Außentüre öffnen und abspringen
können.
    Das klang ziemlich einfach, aber ließ
es sich auch wirklich durchführen? Max wußte, daß Zugtüren während der Fahrt
aus Sicherheitsgründen fest verschlossen gehalten werden mußten. Es war
bestimmt nicht einfach, eine dieser schweren Türen bei starkem Gegenwind zu
öffnen, und herauszuspringen war äußerst gefährlich. Man konnte Glück haben und
in einer weichen Schneewehe landen, doch man konnte auch abrutschen, unter den
Zug geraten und zermalmt werden.
    Angenommen, man schaffte es, mit heiler
Flaut davonzukommen, wie konnte man dann die Tür hinter sich wieder
verschließen? Würde der Luftstrom dazu führen, daß sie zuschlug und
einschnappte, oder würde sie offen bleiben, als Beweis dafür, daß jemand den
Zug verlassen hatte?
    Aus dem Speisewagen oder dem Salonwagen
hätte er nicht so einfach aussteigen können; zu viele Gäste hatten sich dort
aufgehalten, die ihn festgehalten und daran gehindert hätten, etwas so
Verrücktes zu tun. Der sogenannte Kohlentender besaß keine Außentür, nur
Verbindungstüren, die in den Lokführerstand und den Salonwagen führten. Das
Fenster im Führerstand eignete sich am ehesten als Fluchtweg, man konnte
einfach aussteigen, nachdem man den Lokführer umgebracht hatte.
    Aber was konnte das Motiv sein? Man
tötete schließlich nicht einfach ein Mitglied vom Club des Geselligen
Kabeljaus, nur damit ihm nicht auffallen konnte, daß man sich als Sommelier
verkleidet hatte, um den Gästen seines Bruders einen Streich zu spielen.
    Oder vielleicht doch, wenn man sogar so
weit ging, kaltblütig die Treppe eines anderen Kabeljaubruders mit Wachs zu
präparieren. Aber wie hatte dieser gefährliche Witzbold die Große Kette an sich
bringen können, wenn er sie nicht während der letzten Zusammenkunft direkt von
Jems Hals entwendet hatte? Oder hatte er sie lediglich von demjenigen bekommen,
der sie zuvor gestohlen hatte? Wie war es ihm überhaupt möglich gewesen, die
Kette in seine Gewalt zu bringen?
    Doch nicht dieses Problem bereitete Max
momentan Kopfzerbrechen. Es war klar, daß sich nur ein Mitglied der
verschrobenen Fischkopfgesellschaft mit dem gewichtigen Spielzeug hatte
davonmachen können, sofern man die Serviererin ausnahm, die beim Scrooge-Fest
das Essen aufgetischt hatte und an deren Unschuld Jem nicht den geringsten
Zweifel hegte. Da dieser Mensch offenbar zu den üblichen Gästen der Tolbathys
gehörte, war er sicher auch zu der heutigen Party eingeladen worden und hatte
von Hesters Kaviarzeremonie gewußt.
    Es wäre bestimmt ganz einfach für ihn
gewesen, den Leuten vom Party-Service vorzugaukeln, daß er damit betraut worden
war, den Kaviar zu servieren, um danach seine kleine Vorstellung zu geben, die
in erster

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