Kabeljau und Kaviar
wo ist er
hin? Haben Sie ihn vielleicht zufällig im Speisewagen gesehen?«
»Ich habe ihn nirgends gesehen,
jedenfalls nicht seit seiner Vorstellung mit dem Kaviar. Und Sie auch nicht,
nehme ich an?«
Hester Tolbathy starrte Max einen
Moment lang an und schüttelte dann den Kopf. »Nein, da bin ich mir ganz sicher.
Er hat sich um den Kaviar gekümmert und den Champagner eingeschenkt, daran
erinnere ich mich, und dann ist er verschwunden. Ich habe angenommen, daß er
sich ins Dienstabteil zurückgezogen hat, um das Buffet vorzubereiten. Es schien
alles in bester Ordnung zu sein. Der Party-Service ist mir wärmstens empfohlen
worden, und offenbar waren die Leute sehr kompetent, also habe ich alles ihnen
überlassen und mich ganz meinen Gästen gewidmet. Aber die Sache mit dem
Sommelier ist wirklich merkwürdig. Wer um alles in der Welt kann das bloß
gewesen sein? Wissen Sie vielleicht — «
»Ich hatte gehofft, S i e könnten es
mir sagen.«
»Aber ich weiß es wirklich nicht. Ich
bin mir absolut sicher, daß ich ihn noch nie zuvor gesehen habe, und ich
glaube, daß ich ein recht gutes Gedächtnis für Gesichter habe. Wie schade, daß
Ihr Onkel Jem nicht hier ist. Er kennt einfach jeden und verwechselt nie
irgendwelche Namen oder Gesichter. Oh, wir halten an. Gott sei Dank, das wurde
auch höchste Zeit.«
Kapitel
7
A lles in allem waren sie weniger als
zwei Stunden Passagiere des Zuges gewesen, doch die Zeit war ihnen wie eine
Ewigkeit vorgekommen. Niemand bestand beim Aussteigen auf Förmlichkeiten.
Männer luden sich die Arme voll Mäntel und verteilten sie wie Handzettel. Ein
Paar ernannte sich kurzerhand zu Notschaffnern, öffnete die Türen und klappte
die Stufen herunter. Max erinnerte sich, daß er Marcia Whets Begleiter war, und
schaute sich suchend nach ihr um. Er stellte fest, daß sie bereits ihren Mantel
und ihre Boa trug und den Muff sowie den inzwischen absurd wirkenden Riesenhut
in der Hand hielt. Obed Ogham war an ihrer Seite, erstaunlich nüchtern und
schweigsam für jemanden, der sich noch vor kurzem derart betrunken und
ausgelassen aufgeführt hatte.
Die beiden blieben neben Hester Tolbathy
stehen. »Hester, können wir noch irgend etwas tun?« fragte Marcia.
»Doch, das könnt ihr. Und zwar auf dem
schnellsten Weg ins Haus gehen und einen Krankenwagen rufen. Obed, schnapp dir
den Barkeeper, und nimm ihn mit. Zeige ihm, wo er alles aufstellen kann, und
sorge dafür, daß er die Getränke ausschenkt. Sag Jessie, sie soll heißen Kaffee
aufbrühen, und schick Rollo mit dem Handwagen her, den wir immer für das
Putzzeug brauchen. Die Leute vom Party-Service können einen Teil ihrer Sachen
daraufladen, und Rollo kann ihn zurückschieben. Sag ihm, er soll sich beeilen.
Und um Gottes willen, Marcia, bestell unbedingt dem Krankenwagen, er soll so
schnell wie möglich kommen. Mr. Wripps Farbe gefällt mir überhaupt nicht.«
»Hat mir noch nie gefallen«, bemerkte
Ogham mit einem Anflug seines üblichen Charmes. »Mach dir keine Sorgen, Hester.
Wripp wird uns noch alle überleben. Geh nur, Marcia. Ich werde dich schon
einholen. Habt ihr auch genug Gesöff oben im Haus, Hester? Soll ich vielleicht
noch eine Ladung Flaschen hier von der Bar mitnehmen?«
»Schaden kann es ja eigentlich nicht,
wenn sie nur nicht alle kaputt sind. Falls die Gläser zerbrochen sind, ist das
nicht so schlimm. Wir haben mehr als genug. Oh, und bestell den Leuten vom
Party-Service, daß sie das Essen ins Haus bringen können, sobald der Handwagen
kommt. Vielen Dank, Obed.«
Wirklich eine tüchtige Frau, dachte
Max. Sie würden allerdings mehr als nur einen Krankenwagen brauchen, aber das
konnte sie natürlich nicht ahnen. Er war sich darüber im klaren, daß er selbst
mitgehen und mit der Polizei reden sollte, doch er hatte vor, noch ein wenig im
Zug zu bleiben. Es gab diverse Dinge, die er herausfinden mußte, bevor die
Wagen noch mehr in Einordnung gebracht wurden, als sie es ohnehin bereits
waren.
Am dringlichsten war es natürlich, mehr
über den Mann zu erfahren, der die Kaviarbüchse geöffnet hatte. Wenn er nicht
zum Party-Service und auch nicht zum Hauspersonal der Tolbathys gehörte, wer
konnte er dann sein, und wohin war er verschwunden?
Vielleicht war er aus dem Zug
gesprungen, als sie im Wald gehalten hatten, überlegte Max. Falls dies der Fall
war, mußte es jede Menge Fußspuren geben, wenngleich Tom Tolbathy behauptete,
keine gesehen zu haben. Der Schnee war überall
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