Kabeljau und Kaviar
während die anderen überlebt hatten.
Max fragte sich, ob wohl gerade ein
eingefleischter Kommunistenhasser ideologische Qualen zu durchleiden hatte,
weil er jetzt dem fiktiven Russen, der angeblich den Kaviar vergiftet hatte,
dafür zu Dankbarkeit verpflichtet war, daß er ihm — falls es sich überhaupt um
einen Mann handelte — immerhin eine wohlfeile Erklärung für einen ansonsten
recht eindeutigen Mord geliefert hatte. Er fragte sich darüber hinaus, wie
viele Leute außer ihm wohl wissen wollten, wem bekannt war, daß Mrs. Ashbroom
regelmäßig Colchicin eingenommen hatte, und möglicherweise beschlossen hatte,
ihr ein wenig mehr davon zu verpassen und abzuwarten, was wohl passieren würde.
Ashbroom war ohnehin der nächste auf
seiner Liste. Warum also nicht gleich hinfahren und ihn besuchen? Er mußte nur
darauf achten, dort auf keinen Fall etwas zu trinken oder zu essen, sofern man
ihm etwas anbot, und er sollte auf mögliche Karateschläge vorbereitet sein.
Kapitel 20
M ax nahm den Weg über die Kreuzung, an
der das Delikatessengeschäft lag, das offenbar gerade einen Riesenumsatz
machte, und fuhr dann den Hügel hoch zu dem großen Haus mit den vielen
Fenstern. Die zahlreichen Rolläden waren heruntergelassen, und ein Mann stand
auf einer Leiter und nahm die Weihnachtsdekorationen ab. Er betrachtete Max
eingehend, sagte jedoch nichts. Max sah zu, wie er die Leiter herunterstieg und
sie zum nächsten Kranz weitertrug, dann begab er sich zur Eingangstür.
Dort fand er einen gewaltigen
Türklopfer aus poliertem Messing in Form eines Schafes mit enorm dickem Fell.
Zweifellos ein diskreter Hinweis auf die Wollquelle, der die Ashbrooms ihr
gemeinsames Vermögen verdankten. Max hämmerte das Schaf mehrmals gegen die Tür,
doch niemand kam, daher versuchte er sein Glück mit der Klingel.
Damit hatte er nach einer Weile mehr
Erfolg. Nach einigem Warten erschien eine Frau mittleren Alters in einer
ausgebeulten Cordhose und einem schmutzigen blauen Sweatshirt, auf dem in
Brusthöhe das Wort ›Prima‹ aufgedruckt war. Sie riß die Tür auf, lehnte sich
hinaus und brüllte dem Mann auf der Leiter zu: »Hör mit dem Faulenzen auf, und
hol endlich die blöden Kränze runter!« Nachdem das erledigt war, wandte sie
sich Max zu. »Und was wollen S i e?«
»Ich möchte mit Mr. Ashbroom sprechen.«
»Geht nicht. Der schläft.«
»Aber ich habe eine wichtige
persönliche Mitteilung für ihn.«
»Was Sie nicht sagen. Genau dasselbe
hat mal ein Medium zu mir gesagt. Angeblich eine Nachricht von meinem lieben
verstorbenen Onkel Eimer. Aber ich wußte sofort, daß es nicht stimmen konnte,
denn er hat nicht versucht, mich anzupumpen.«
Die Frau preßte die Lippen zusammen und
starrte Max finster an, bis er sich fragte, ob er sie um ein paar Dollar bitten
sollte, um seine ehrlichen Absichten unter Beweis zu stellen. Doch dann kam ihm
die Idee, den umgekehrten Weg einzuschlagen und statt dessen ihr Geld
anzubieten.
»Hier, das ist für das Schuldenkonto
von Onkel Eimer«, schlug er vor und reichte ihr einen Zehndollarschein. »Lassen
Sie mich jetzt herein?«
Sie betrachtete den Schein eingehend,
faltete ihn zusammen und ließ ihn in ihre Hosentasche gleiten. »Sind Sie von ‘ner
Zeitung?«
»Nein.«
»Vom Fernsehen?«
»Nein.«
»Schade. Ich hätt’ mich zu gern mal im
Fernsehen bewundert. Wer sind Sie dann?«
»Jeremy Kellings Neffe. Angeheirateter
Neffe.«
»Warum zum Teufel haben Sie das nicht
gleich gesagt, statt mich arme Frau hier in der Eiseskälte stehen zu lassen!
Hier kann man sich ja glatt den Hintern abfrieren. Kommen Sie rein, und
pflanzen Sie sich irgendwo hin. Hat Egbert Sie geschickt?«
»Egbert hat im Moment alle Hände voll
zu tun«, versuchte Max sich herauszureden. »Wissen Sie, daß sein Chef im
Krankenhaus liegt?«
»Nein, aber wundern tut mich das gar
nicht. Hab’ mir schon immer gedacht, daß es ihn irgendwann mal erwischt. Was
war es denn, Leberschwäche oder ‘ne rachsüchtige Frau?«
»Gebrochene Hüfte. Er ist die Treppe
runtergefallen.«
»Wessen Treppe war’s denn?«
»Seine eigene.«
»Ach nein! Das hätt’ ich allerdings
nicht erwartet. Warten Sie hier, und wehe, Sie lassen irgendwas mitgehen! Ich
schau’ mal nach, ob Ihre Majestät schon wach ist.«
»Wie lange ist Mr. Ashbroom denn schon
zu Hause?«
»Leider schon viel zu lange, wenn Sie
mich fragen. Frank ist hin und hat ihn abgeholt, als die vom Krankenhaus heute
morgen hier
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