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Kabeljau und Kaviar

Kabeljau und Kaviar

Titel: Kabeljau und Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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sich stets in Scharen
einfanden, aus einem Grund, der ihm bisher verborgen geblieben war. Sie hatte
ein grasgrünes Dirndl getragen, erinnerte er sich, und flache schwarze Schuhe
mit einem scheinbar endlosen Gewirr aus Bändern über ihren dicken weißen
Strümpfen. Vielleicht waren es aber auch ihre dicken weißen Beine gewesen. Er
hatte es so lange ausgehalten, bis Lorista schließlich ihr Hackbrett
herausgeholt und angefangen hatte, Volkslieder zum Besten zu geben. Daraufhin
hatten Sarah und er Tante Appie mitgeteilt, daß sie unbedingt noch etwas
erledigen mußten, und hatten sich rasch verabschiedet.
    Sie waren zurück zu Jems Wohnung
gegangen, und Jem hatte ebenfalls Volkslieder angestimmt: Lisa and her
Londonderry Air und Never Go Walking Out Without Your Hatpin. Dann
hatte Egbert mit Käse überbackenen Toast aufgetischt und dazu hervorragenden
Weißwein serviert, und sie hatten alle gemeinsam auf den Frosch in Loristas
Kehle angestoßen. Er lächelte bei der Erinnerung, während Imogene ihn an
unzähligen weiteren Bahnhöfen vorbeiführte.
    »Wo steckt denn dein Großvater?«
    Beim Klang seiner Stimme zuckte sie
nervös zusammen. »Im Wintergawten. Sie wollen doch niss wirklich — das
schweckliche Gewäusch machen, oder?«
    »Nicht, wenn du dich ordentlich
benimmst. Dein Großvater kennt mich übrigens schon, du brauchst also gar nicht
erst zu versuchen, irgendwelche Mätzchen zu machen. Wir haben uns gestern abend
bei den Tolbathys kennengelernt.«
    »Ssind Ssie denn ein Wusse?«
    »Worauf du dich verlassen kannst. Ist
er hier drin?«
    »Ja«, flüsterte sie.
    »Gut, und jetzt sei brav!«
    Max drückte eine schwere Tür auf und
fand sich inmitten einer Blumenschau wieder. Im Vergleich zu den relativ
kleinen Räumen, durch die er gerade gegangen war, erschien der Wintergarten
geradezu riesig. Ein anderer angenehmer Unterschied bestand darin, daß es hier
mollig warm war. Wenn an diesem Tag die Sonne geschienen hätte, wären die
Sonnenstrahlen bestimmt von dem Glasdach und den Fenstern eingefangen worden.
Da dies jedoch nicht der Fall war, hatte man das Glas mit schwerem
Isoliermaterial aus Baumwollwatte abgedeckt und eine Art Zentralheizung
eingeschaltet.
    Dies mußte der Raum sein, in dem die
Dorks sich am liebsten aufhielten. Max sah bequeme Gartenmöbel auf einer
Terrasse aus Steinplatten vor einem kleinen Häuschen, das offenbar der
Werkzeugschuppen war. Auch dieses kleine Holzhaus war so gestaltet, daß es — wie
hätte es anders sein können — wie ein Bahnhof wirkte. Am Eingang hing ein Schild,
auf dem ›Dorks Bahnstation‹ zu lesen stand. Die Blumenkästen an den Fenstern
schmückten weihnachtliche Stechpalmen und Efeu, fein säuberlich gesäumt von
irgendwelchen weißblühenden Blumen, die Max noch nie zuvor gesehen hatte.
    »Nieswurz«, erklang eine etwas dumpfe
Stimme aus einem Rollstuhl, der neben einem kleinen Zierteich mit einem
plätschernden Springbrunnen, echten Seerosen und lebendigen Goldfischen stand.
»Weihnachtsrosen, wissen Sie. Bei den meisten Menschen blühen sie erst gegen
Ostern«, fügte die Stimme selbstgefällig hinzu.
    »Sehr hübsch«, sagte Max
wahrheitsgemäß. »Wie fühlen Sie sich, Dork?«
    »Ziemlich wackelig auf den Beinen. Sie
sind Jems Neffe, nicht wahr?«
    Imogene wollte ihrem Großvater
widersprechen, schloß jedoch ihren kleinen rosigen Mund wieder und stellte sich
lächelnd zwischen den Weihnachtsrosen in Pose.
    »Angeheirateter Neffe«, berichtigte
Max, um dem Kind den Wind aus den Segeln zu nehmen. »Jem hat mich geschickt, um
mich zu erkundigen, wie es Ihnen geht.«
    »Das ist nett von ihm. Und nett von
Ihnen, zu kommen. Wie geht es denn dem alten Skorpion? Stellt bestimmt das
ganze Krankenhaus auf den Kopf, kann ich mir vorstellen.«
    »Womit Sie leider völlig recht haben.
Als ich ihn das letzte Mal sah, ging es ihm gesundheitlich ganz gut, aber stimmungsmäßig
miserabel. Übrigens, ich hoffe, der Rollstuhl bedeutet nicht etwa, daß — «
    »Der bedeutet überhaupt nichts«, sagte
Dork. »Mir geht es gut. Ich fühle mich natürlich noch ein bißchen schwach und
schwindelig von den ganzen Demütigungen, die man in diesem Schlachthaus, das
sich Krankenhaus schimpft, zu ertragen hat. Irgendeine Krankenschwester hat
mich in einem Rollstuhl rausgefahren, als ich entlassen wurde, daraufhin hatte
Lorista — meine Schwiegertochter — die glorreiche Idee, mich in diesen Rollstuhl
zu setzen, als ich wieder zu Hause war.«
    »Und wann war das?«
    »Gegen neun

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