Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
Industrie auf Informationstechnologien umstellen wollte«, sagte Sacca rückblickend. Anfang 2005 war das Geschäft in trockenen Tüchern: 1,87 Millionen für das Grundstück, nebst einer Option für drei weitere Bauabschnitte. Aber Young war noch immer zur Verschwiegenheit verpflichtet, selbst als die Bauarbeiten bereits begonnen hatten. »Ich hatte so viele Vereinbarungen unterschrieben, dass ich irgendwann vor Ort war und jemand zu mir sagte: ›Schau, mal die bauen da … rtlbrmpf.‹ Darauf ich: ›Wie? Also, ich sehe nichts!‹« Mittlerweile ist es jedoch offiziell: Hinter Design LLC verbarg sich niemand anderes als Google. 51
Längst ist es ein Klischee, dass für Rechenzentren dieselben Regeln gelten wie für die geheimen Kämpfe im Film Fight Club . Die erste Regel in Rechenzentren lautet: Über Rechenzentren spricht man nicht. Dieser Hang zur Geheimniskrämerei färbt bei den meisten Leuten auch auf die Erwartungen ab, die sie bezüglich anderer Teile der Internetinfrastruktur haben, etwa in Bezug auf Internetknoten – die in Wirklichkeit sehr offen sind. Aber woran liegt die Geheimnistuerei bei den Rechenzentren? Ein Rechenzentrum ist ein Lagerhaus für Informationen, die weitestmögliche Annäherung an einen Tresor, die das Internet kennt. In Internetknoten sind die Daten nur auf der Durchreise, wie Arnold Nipper mir in Frankfurt erklärt hatte. Die Informationen werden nur durchgeschleust (und zwar ziemlich schnell). In Rechenzentren sind sie dagegen vergleichsweise fest gebunden, physisch auf Geräten gespeichert, die bewacht werden müssen und die selbst einen nicht unerheblichen Wert haben. Meistens ist die Geheimhaltung jedoch nicht der Sorge um den Datenschutz oder der Angst vor Diebstahl geschuldet, sondern dem Konkurrenzdruck. Wie groß ein Rechenzentrum ist, wie viel Strom es verbraucht und was genau sich hinter seiner Fassade verbirgt, all das sind Informationen, die Technologieunternehmen gern unter Verschluss halten. (Es hätte ja tatsächlich sein können, dass Manos und Sacca sich zufällig begegnet wären, als sie auf der Suche nach einem passenden Grundstück kreuz und quer durchs Tal des Columbia River gefahren sind.) Ganz besonders gilt das für Rechenzentren, die von einer einzelnen Firma gebaut und betrieben werden, so dass man eine Verbindung zwischen den Gebäuden und den von dieser Firma angebotenen Dienstleistungen herstellen kann. Deshalb hat sich in der Welt der Rechenzentren eine Kultur der Geheimhaltung entwickelt; die Unternehmen versuchen mit allen Mitteln, die Bandbreite ihrer Aktivitäten und die Besonderheiten ihrer Maschinen geheim zu halten. Die Detailinformationen über ein Rechenzentrum gehören heutzutage zu den wichtigsten Firmengeheimnissen, vergleichbar mit dem Rezept für Cola.
Herauszufinden, wo unsere Daten schlummern, ist deshalb für uns regelmäßige Internetnutzer ziemlich schwierig. Vor allem die mächtigen Internetfirmen scheinen großen Gefallen daran zu finden, sich in der Cloud zu verstecken. Wenn es um die Frage geht, wo sie unsere Daten speichern, geben sie sich meist zugeknöpft. Manchmal behaupten sie gar, das wüssten sie selbst nicht so genau. Wie meinte ein Experte für Rechenzentren einmal zu mir: »Manchmal hat die Antwort auf die Frage: ›Wo ist meine E-Mail?‹ eher was mit Quanten zu tun als mit Newton« – was aus dem Nerdsprech übersetzt in etwa heißen soll, dass sie an so vielen Orten gleichzeitig zu sein scheint, dass sie gewissermaßen überall und nirgends ist. Weiter kompliziert wird die Frage nach dem Speicherort unserer Daten durch sogenannte Content Delivery Networks, die dafür sorgen, dass häufig abgerufene Daten, wie beliebte YouTube-Videos oder Fernsehsendungen, auf vielen kleinen Servern in der Nähe der Nutzer gespeichert werden, genau wie ein kleiner Tante-Emma-Laden beliebte Artikel immer auf Lager hat. Durch die kurzen Entfernungen sinkt das Risiko von Datenstaus, und gleichzeitig verringern sich die Übertragungskosten. Aber im Großen und Ganzen will man uns weismachen, unsere Daten seien keine physische Realität, sondern reine Abstraktion.
Doch das ist eine bewusste Täuschung. Zwar gibt es Momente, in denen unser virtuelles Leben tatsächlich in tausend Teile zerfallen ist, weil unsere Daten in immer kleinere Schnipsel zerlegt werden, bis man theoretisch unmöglich wissen kann, wo die einzelnen Schnipsel sich befinden. Aber das ist nach wie vor die Ausnahme. Es ist eine Viertelwahrheit, die Besitzer von
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