Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
Backbone-Netzwerke wurde rasch und energisch vorangetrieben, aber die ländlichen Gebiete durchquerten diese oftmals ohne Zwischenstopp. Das hatte sowohl technische als auch wirtschaftliche Gründe. Großflächige Glasfasernetze werden in Abschnitten von circa achtzig Kilometern gebaut – das ist die Entfernung, die Lichtsignale in einem Lichtwellenleiter zurücklegen können, ehe sie in einem Repeater in ihre Bestandteile zerlegt und verstärkt werden müssen. Doch selbst an solchen Punkten, wo die Signale »regeneriert« werden, erfordert es teures Gerät und viele Stunden Technikereinsatz, eine Abzweigung für die lokale Anbindung einzurichten. Hochleistungsfähige Glasfasernetze, die große Entfernungen überwinden, lassen sich daher billiger aufbauen und betreiben, wenn die Verbindung auf dem Weg von einem Knotenpunkt zum nächsten ohne Unterbrechung durchläuft. Und selbst wenn man ein amerikaweit operierendes Unternehmen wie Sprint dazu bewegen kann, einen Zwischenstopp einzulegen, wird ein solcher Halt auf der Liste dringlicher Bauprojekte ziemlich weit unten landen, weil es in einer kleinen Stadt einfach nicht genügend potentielle Kunden gibt. Ein »Middle Mile«-Netzwerk überbrückt den Netzabschnitt zwischen einer Kleinstadt und dem nächsten Regionalknoten und bindet so kleine, lokale Netze, die sogenannte letzte Meile, an die großen Backbones an. Netzwerktechniker bezeichnen solche Zubringernetze als »Backhaul«. Ohne sie gäbe es kein Internet. Q-Life war ein Lehrbuchbeispiel für ein solches Zubringernetz – wobei die »vorletzte Meile« in The Dalles, vom Stadtzentrum bis zum Umspannwerk Big Eddy, wo die Glasfaserstränge der Bonneville Power Administration zusammenliefen, genau genommen eher vier Meilen lang war.
Als die Glasfasern von Q-Life erst installiert waren, fanden sich sofort lokale Internetprovider, die bereit waren, die Dienstleistungen anzubieten, die Sprint verweigerte. Sechs Monate später stand sogar Sprint auf der Matte – deutlich vor Ablauf der Fünfjahresfrist, die man ursprünglich in Aussicht gestellt hatte. »Wir werten das als großen Erfolg für uns«, so Young. »Man könnte diese Unternehmen auch als unsere Konkurrenten bezeichnen, aber jetzt gab es wenigstens Wahlmöglichkeiten.« Was als Nächstes passierte, hatte die Stadt unmöglich ahnen können: The Dalles war auf dem besten Weg, der Standort eines der berühmtesten Rechenzentren der Welt zu werden.
2004, kaum ein Jahr nach der Fertigstellung des Q-Life-Netzes, tauchte in The Dalles ein gewisser Chris Sacca auf. Im Auftrag eines Unternehmens mit dem verdächtig nichtssagenden Namen Design LLC suchte er nach fertig erschlossenen Grundstücken in »Industriefördergebieten«, wo Firmen Steuervergünstigungen und andere Anreize angeboten wurden, wenn sie sich dort ansiedelten. Er war jung, nachlässig gekleidet und an derart astronomischen Strommengen interessiert, dass man ihn in einer anderen Stadt ganz in der Nähe für einen Terroristen gehalten und umgehend das Heimatschutzministerium verständigt hatte. In The Dalles hatte man etwas für ihn: ein 12 Hektar großes Grundstück neben einer stillgelegten Aluminiumhütte, die einst 85 Megawatt Strom verbraucht hatte – mehr als zur Deckung des täglichen Bedarfs einer Stadt vonnöten war, die um ein Vielfaches größer war als The Dalles.
In den Verhandlungen bestand Sacca von Anfang an auf absolute Verschwiegenheit. Also unterschrieb Young verschiedene Geheimhaltungsvereinbarungen. Beim Kaufpreis für das Grundstück war man sich schnell einig (was Manos hätte vorhersagen können). Alles drehte sich um den Strompreis und die Steuern. Um die Bonneville Power Administration zu einem noch höheren Rabatt zu überreden, wurde der örtliche Vertreter im Kongress hinzugezogen. Angesichts Hunderter Millionen Dollar, die Design LLC für in The Dalles zu installierendes Equipment auszugeben gedachte, forderte die Firma für einen Zeitraum von 15 Jahren festgeschriebene Steuernachlässe, die vom Gouverneur genehmigt werden mussten. Den Strom und die Anreize hätte jedoch jede durchschnittlich große Kommune in Oregon aufbringen können. Das Ass im Ärmel, das dafür sorgte, dass die Wärmekarte von Design LLC rings um The Dalles hellgrün leuchtete, hatte das Städtchen sich selbst zugespielt: Q-Life. »Das war visionär. Dieser kleine Ort ohne Steuereinnahmen hatte erkannt, dass man Glasfaserkabel verlegen musste, wenn man die Wirtschaft von der produzierenden
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