Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
Vom Netzwerk:
Atmosphäre war von Anfang an angespannt. Als ich mein Aufnahmegerät hervorholte, nahm die Medienbeauftragte es genau unter die Lupe, um sicherzugehen, dass es keine Kamera enthielt. Mit einem steifen Lächeln gingen wir in den Regen hinaus, summend öffnete sich ein Tor im Zaun, und wir machten uns zu Fuß auf den Weg übers Firmengelände. Ich kam mir vor wie auf der Rückseite eines Einkaufszentrums: endlose Parkplätze, Laderampen, vorsichtige Ansätze von Landschaftsgestaltung. Eine Woche zuvor hatte ich mit Dave Karlson telefoniert, dem Leiter des Standorts, der zum Zeitpunkt meines Besuchs im Urlaub war. »Wir hoffen Ihnen bei Ihrem Besuch einen Eindruck vermitteln zu können, wie ein Google-Rechenzentrum aussieht und welche Atmosphäre hier herrscht«, hatte er gesagt. Aber schon nach wenigen Sekunden des Schweigens war mir klar, dass das hier eine Führung ohne jede Erklärung werden würde. Können Sie mir sagen, was wir da sehen und wozu diese Gebäude dienen?, fragte ich vorsichtig. Betts vermied es sorgsam, die Journalistenaufpasserin anzuschauen, schürzte die Lippen und starrte auf den Boden vor seinen Füßen – ein Informationsvakuum wie bei einer Internetseite, die sich aufgehängt hat. Ich versuchte es mit einer gezielteren Frage. Was war mit diesem Gebäude hier – eine Art gelbes Lagerhaus, bei dem aus einer Ventilationsöffnung Dampf aufstieg? Diente es hauptsächlich zu Speicherzwecken? Waren da die Computer drin, die das Netz durchforsten und Websites indexieren? Wurden hier Suchanfragen verarbeitet? Meine Begleiter tauschten nervöse Blicke aus. Die Aufpasserin ließ ein paar Schritte aus, damit sie wieder in Hörweite war.
    »Sie meinen, was hier in The Dalles passiert?«, antwortete Betts schließlich. »Das ist etwas, worüber wir eher nicht reden. Aber ich bin mir sicher, dass hier drin Daten gespeichert sind.«
    Es war eine Nichtantwort, die, so ungelenk sie formuliert war, einem Skript folgte. Natürlich wusste er, wozu diese Gebäude dienten – immerhin war er Mitglied der Standortleitung. Aber er würde es mir nicht sagen. Also nahm ich den Marsch über den Parkplatz als Erlaubnis, zu beschreiben, was ich sah: Das Rechenzentrum bestand aus zwei großen Gebäuden, die in Form und Bauweise an Auslieferungslager erinnerten, wie man sie oft vom Highway aus sieht. Zwischen ihnen eine Freifläche von der Größe eines Fußballplatzes. Jedes Gebäude hatte zwei Teile – einen langgezogenen, niedrigen Abschnitt und ein höheres Endstück –, die zusammen ein liegendes »L« formten. Am oberen Ende des »L« standen die Kühltürme, die kräftig Dampf abließen, der am Gebäude entlangwehte wie ein Nikolausbart. Ringsum Laderampen, aber keine Fenster. Die Dächer waren sauber. Auf der Rückseite jedes Gebäudes stand eine Reihe Generatoren in Stahlgehäusen, die über eine Nabelschnur aus dicken Kabeln mit den Gebäuden verbunden waren. Für die ausnehmend hässliche, beige-gelbe Farbe der Gebäude konnte man sich bei näherer Betrachtung nur entschieden haben, weil sie so schön unauffällig war, weil man sie im Sonderangebot bekommen hatte oder weil so das Ganze möglichst authentisch nach Gefängnis aussah. Die Kennzeichnung der Gebäude – nur Zahlen, keine Namen – war streng rational und bestand aus großen, gut lesbaren blauen Ziffern auf beigem Grund. Die Straßen waren von sauberen Gehwegen gesäumt, die nahtlos in Kies übergingen. Auf dem ganzen Firmengelände ragten riesige Laternenmasten auf, die jeweils von einem Kranz silberner, kugelförmiger Lampen gekrönt waren. Die Freifläche – auf der bald ein drittes Gebäude entstehen sollte – war mit Pick-ups und Baucontainern vollgestellt. Unmittelbar hinter dem hohen Zaun floss majestätisch der Columbia River vorbei.
    Als wir uns dem anderen Ende des Grundstücks näherten, rief Betts per Handy beim Sicherheitsdienst an, und wenige Augenblicke später kam in einem grauen Pick-up ein Wachmann angefahren. Er sperrte uns ein Fußgängertor auf, und wir gingen hindurch, um den kleinen Garten zu bewundern, den Googler in ihrer Freizeit pflegten. So früh im Jahr war allerdings noch nicht viel gewachsen. Neben dem Garten stand ein weiterer weiß-orangefarbener Pfosten, der den Verlauf der unterirdisch verlegten Glasfaserleitung von Q-Life markierte. Dann kehrten wir um und gingen denselben Weg zurück, den wir gekommen waren.
    Am Eingang des »Columbia House«, in dem sich die Kantine befand, meldete sich Betts zu Wort. »So

Weitere Kostenlose Bücher