Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
geeignet sind als andere. Die Folge sind Zusammenballungen an bestimmten Orten. Nach und nach sammeln sich die größten Rechenzentren in denselben Ecken der Erde an, wie Schneewehen.
Michael Manos hat wahrscheinlich mehr Rechenzentren gebaut als irgendjemand sonst – seiner Zählung nach etwa einhundert, zuerst für Microsoft, später für Digital Realty Trust, ein Unternehmen, das Rechenzentren betreibt und vermietet. Er ist ein hochgewachsener, hellhäutiger, gutmütiger Mensch, der gern und viel redet – stellen Sie sich John Candy als Immobilienmakler in einem Werbespot vor. In der Rechenzentrumsbranche, in der es darum geht, den richtigen Riecher zu haben und seine Claims abzustecken, kommt ihm das zugute. Als er 2005 zu Microsoft ging, verfügte das Unternehmen weltweit über ungefähr zehntausend auf drei Standorte verteilte Server, auf denen seine Online-Dienste wie Hotmail, MSN und Xbox-Spiele untergebracht waren. Als er die Firma vier Jahre später wieder verließ, hatte er daran mitgearbeitet, ein Netz aus »Hunderttausenden« Servern in »zig« Rechenzentren auf der ganzen Welt aufzubauen – »aber ich kann Ihnen auch heute noch nicht sagen, wie viele es sind«, so Manos. Die genauen Zahlen waren nach wie vor Verschlusssache. Es war ein Expansionsprogramm von einer Größenordnung, die in der Firmengeschichte von Microsoft ohne Beispiel war und die bis heute nur von einer Handvoll anderer Firmen erreicht wurde. »Es gibt auf dieser Welt nicht viele Leute, die sich in dieser Größenordnung mit dem Thema befassen«, sagt Manos. Und nur wenige von ihnen haben die Welt so gründlich durchforstet wie Manos.
In seiner Zeit bei Microsoft entwickelte er ein Kartierungsprogramm, das auf der Grundlage von 56 unterschiedlichen Kriterien eine »Wärmekarte« mit Farben von grün (gut) bis rot (schlecht) erstellt, der sich die besten Standorte für Rechenzentren entnehmen lassen. Das Entscheidende war jedoch der richtige Maßstab. Aus der Vogelperspektive sah ein Bundesstaat wie Oregon katastrophal aus – hauptsächlich aufgrund von Umweltrisiken wie Erdbeben. Als Manos jedoch in die Karte hineinzoomte, bot sich ein anderes Bild. Das erdbebengefährdete Gebiet liegt im Westen des Bundesstaats, während es in der Mitte von Oregon kalt und trocken ist – perfekte Bedingungen, um mithilfe der Außenluft Festplatten zu kühlen. Was überraschenderweise kaum ins Gewicht fiel, waren die Kosten für das Grundstück und für das Gebäude selbst. »Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann gehen um die fünfundachtzig Prozent der Kosten auf das Konto der im Gebäude untergebrachten mechanischen und elektrischen Systeme«, erklärte Manos. »Land, Beton und Stahl machen im Durchschnitt ungefähr sieben Prozent aus. Das ist nichts! Oft werde ich gefragt: ›Ist es besser, in die Höhe zu bauen oder in die Länge und Breite?‹ Völlig egal. Unter dem Strich spielen die Kosten für das Grundstück und den Rohbau bei den meisten derartigen Gebäuden praktisch keine Rolle. Der entscheidende Kostenfaktor ist, wie viel Equipment Sie in Ihren Kasten packen können.« Sowie natürlich die Frage, was Sie für den Anschluss ans Netz bezahlen – die Kosten für den laufenden Betrieb. »Spezialisten für Rechenzentren halten stets nach zwei Dingen Ausschau«, erklärte Manos. »Meine Frau dachte immer, ich würde mir die Landschaft anschauen, aber in Wirklichkeit sah ich mir die Stromleitungen an, und die Glasfaserleitungen, die mit dranhingen.« Mit anderen Worten: Er suchte genau das, was ich beim Blick aus meinem Fenster in The Dalles vor mir sah.
Ende der neunziger Jahre hatte die Bonneville Power Administration damit begonnen, Glasfaserkabel entlang ihrer bestehenden Überlandleitungen zu verlegen, einem erstaunlichen Netz, das den amerikanischen Nordwesten überzog und seinen wichtigsten Knotenpunkt in The Dalles hatte. Das war eine heikle Aufgabe, bei der häufig der Einsatz von Hubschraubern vonnöten war, um in unwegsamem Gelände Kabel an hohen Masten anzubringen. Das eigentliche Ziel der Manager des Stromversorgers war die Verbesserung der internen Kommunikation, doch stellten sie fest, dass es nur unwesentlich teurer war, zusätzliche Glasfaserstränge zu installieren – und so verlegten sie am Ende sehr viel mehr, als sie für ihre eigenen Zwecke brauchten. Unter lautstarkem Protest von Telekommunikationsfirmen, deren Ansicht nach ein staatlich subventionierter Stromversorger ihnen eigentlich keine Konkurrenz machen
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