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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
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war es kaum der Rede wert. Ein Vierteljahrhundert lang waren Kleinrock und seine Kollegen wie Entdecker, die die Fahne des Internets in einer Reihe verstreuter Kolonien hissten, die miteinander nur schwach und mit ihrer Umgebung gar nicht in Verbindung standen. Das Internet war ziemlich weitmaschig.
    Wie weitmaschig, das zeigen die verschiedenen Karten des frühen ARPANE T s von Bolt, Beranek and Newman. Sie sehen aus wie Sternkarten. In eine Umrisskarte der Vereinigten Staaten ist darauf für jeden IMP ein schwarzer Kringel eingezeichnet, der über schnurgerade Linien mit allen anderen verbunden ist. Das ARPANET erblickte das Licht der Welt als Kleiner Wagen, der einen Teil Kaliforniens ostwärts Richtung Utah zieht. Im Sommer 1970 hatte er die Ostküste erreicht: hinzugekommen waren das MIT , Harvard und die Zentrale von Bolt, Beranek and Newman in Cambridge, Massachusetts. Washington tauchte erst im darauffolgenden Herbst auf. Im September 1973 folgte die erste internationale Verbindung – über Satellit zum University College in London. Am Ende des Jahrzehnts hatten sich vier geographische Zentren herausgebildet: das Silicon Valley, Los Angeles, Boston und Washington. New York war kaum vertreten, lediglich der New York University gelang die Gründung einer Kolonie. Im Herzen der Vereinigten Staaten gab es nur wenige, verstreute Knotenpunkte. Passend zu seinen geistigen Wurzeln als Kommunikationssystem für die Ära des Dritten Weltkriegs war das ARPANET auffallend stadtfern und dezentral. Es gab keine besonderen Orte und keine Monumente. Physisch betrachtet bestand es lediglich aus IMP s wie dem, der gegenüber von Kleinrocks Büro stand, und den von AT & T zu besonderen Bedingungen bereitgestellten Telefonstandleitungen dazwischen. Es fristete sein Dasein in ungenutzten Seminarräumen von Informatikfakultäten, in Nebengebäuden von Militärstützpunkten und in den Kupferleitungen und Richtfunknetzen von Telefongesellschaften. Das ARPANET hatte noch nichts mit einer Datenwolke gemein. Es war eine Reihe von isolierten, über schmale Pfade miteinander verbundenen Vorposten – eine Art Postkutschennetz für das 20. Jahrhundert.
    Die Wissenschaftler forschten zweifellos mit Hochdruck, doch die Nutzung des ARPANET s als Kommunikationsmedium umwitterte noch lange Zeit der Nimbus des Neuen, Unausgereiften. Im September 1973 kamen Informatiker aus der ganzen Welt, die alle mit staatlichen Mitteln ihre je eigenen Netzwerke entwickelten, an der Sussex University im englischen Brighton zu einer Tagung zusammen. Da das ARPANET das größte dieser Netzwerke war, wurde zu Demonstrationszwecken eine Verbindung in die USA eingerichtet. Das war nicht gerade einfach. Zwischen einem Knotenpunkt des ARPANET s in Virginia und einer nahe gelegenen Satellitenantenne musste eine Telefonverbindung hergestellt werden. Von dort wurde das Signal via Satellit an eine andere Erdfunkstation in Goonhilly Downs in Cornwall übertragen, dann über eine Telefonleitung weiter nach London und schließlich nach Brighton geleitet. Das Ganze war weniger eine technische Meisterleistung als eine Behelfslösung; eine provisorische, schmale Brücke über den Atlantik.
    In die Geschichte eingegangen ist diese Verbindung allerdings aus weit prosaischeren Gründen. Die Angelegenheit ist legendär: Als Kleinrock nach der Tagung wieder in Los Angeles ankam, stellte er fest, dass er im Badezimmer des Studentenwohnheims in Sussex seinen Rasierapparat vergessen hatte. Er loggte sich am Computer an der UCLA ins ARPANET ein und gab den Befehl » WHERE ROBERTS « ein, mit dem er herausfinden konnte, ob sein Freund Larry Roberts – der für seine Arbeitssucht und Schlaflosigkeit bekannt war – ebenfalls online war. Und tatsächlich war dieser um drei Uhr morgens hellwach. Mithilfe eines rudimentären Chat-Programms – »klicketi klicketi klack«, wie Kleinrock es beschreibt – verabredeten die beiden Freunde, dass Roberts den Rasierer per Post schicken würde. Diese Art der Kommunikation, schreiben die Historiker Katie Hafner und Matthew Lyon, war »ungefähr so, als wäre man ein blinder Passagier auf einem Flugzeugträger«.
    Das AR PANET der siebziger Jahre war amerikanisches Staatseigentum, ein Netzwerk zwischen Militärwissenschaftlern, die entweder für das Militär forschten oder an von der ARPA finanzierten Lehrstühlen. Sozial gesehen war das ARPANET jedoch eine Kleinstadt. Das ARPANET -Teilnehmerverzeichnis von 1980 ist ein kanariengelbes Büchlein

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