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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
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gewesen, sie ebenso anonym wie unnahbar wirken zu lassen. Die Gebäude haben kaum Wiedererkennungswert, und genau so wollen es die öffentlichkeitsscheuen Mieter. Wenn überhaupt Schilder angebracht sind, dann stehen die Namen von Rüstungsunternehmen darauf: Lockheed Martin, Northrop Grumman, BAE . Oftmals sind in solchen Häusern sogenannte Scifs eingebaut (»Sensitive Compartmented Information Facilities«), abgeschirmte Räume, die den staatlichen Vorgaben für die Übermittlung vertraulicher Informationen entsprechen.
    Für die besonders paranoiden unter den Netzwerkingenieuren – die »Jungs mit den Hüten aus Alufolie«, eine Anspielung auf die Überzeugung, dass die einzige Methode, den Staat am Lesen ihrer Gedanken zu hindern, ein Helm aus Alufolie sei – war der Standort von MAE -East der Beweis für die heimtückische Überwachung des Internets durch den Staat. Wie sonst war die Nähe zum Hauptquartier der CIA zu erklären? Und wenn die CI A nicht mithörte, dann musste die ultrageheime National Security Agency systematisch alle Daten durchkämmen, die hier durchflossen – eine Behauptung, die zuletzt James Bamford wiederholt hat in seinem Bestseller über die »Schattenfabrik« von 2008. 19 Bis heute fördert eine Google-Suche zu » MAE -East« seltsam bruchstückhafte Informationen zutage – im Präsens verfasst, obwohl seine Bedeutung längst der Vergangenheit angehört; mit Satellitenfotos, auf denen es rot eingezeichnet und seine Nähe zu einer Einrichtung des CIA hervorgehoben ist; als wäre die Zeit stehen geblieben. Noch immer umgibt MAE -East, diesen Ort mit dem die Phantasie beflügelnden Frauennamen, eine geheimnisvolle Aura.
    Nur ist das alles ein wenig überzogen. MAE -East mag seine wichtige Rolle zufällig zugefallen sein, aber dann ging es ziemlich bürokratisch weiter. 1991 hatte der Kongress den »High Performance Computing and Communication Act« verabschiedet, auch »Gore bill« genannt. Eingebracht hatte das Gesetz nämlich Al Gore, der zu diesem Zeitpunkt Mitglied des Senats war. Auf diese Initiative geht die Gore unterstellte Behauptung zurück, er habe »das Internet erfunden«. Und das ist gar nicht so weit hergeholt, wie es klingt. »Erfunden« ist zweifellos der falsche Ausdruck, aber die staatliche Initiative spielte eine entscheidende Rolle dabei, das Internet aus dem akademischen Ghetto herauszuholen. Einer der Kernpunkte des Gesetzes war das Ziel, eine sogenannte Datenautobahn zu schaffen. Doch anstatt mit Schaufeln Gräben auszuheben, überließ der Staat die Umsetzung privaten Unternehmen, indem er den Bau von »Einfädelspuren« finanzierte, sogenannter Netzwerkzugangspunkte (Network Access Points, NAP ). Diese sollten »Hochgeschwindigkeitsnetze oder Switches« sein, »an die über Router zum Zweck des gegenseitigen Datenaustauschs mehrere Netzwerke angeschlossen werden können«. Sie sollten staatlich finanziert, aber von Privatfirmen betrieben werden. Ein Zugangspunkt war mit anderen Worten ein Netzwerk, das Netzwerke miteinander vernetzte: nichts anderes als eine Kopie von MAE -East. 20
    Steve Feldman beteiligte sich an der Ausschreibung mit einem Vorschlag für einen schicken neuen Internetknoten – aber die für den ganzen Prozess zuständige National Science Foundation zog es vor, MF S dafür zu bezahlen, dass sie MAE -East weiterbetrieben. Am Ende wurden vier Zugangspunkte in Auftrag gegeben, die von vier großen Telekommunikationsfirmen betrieben wurden: der NAP von Sprint in Pennsauken, New Jersey (einem Vorort von Philadelphia am anderen Ufer des Delaware), der NAP von Ameritech in Chicago, der NAP von Pacific Bell in San Francisco sowie MAE -East. Eigentlich, meint Feldman, seien es nur dreieinhalb gewesen, »denn uns gab es ja schon«. (Und schon bald sollte MFS mit der Einrichtung des » MAE -West« in der South Market Street Nr. 55 im kalifornischen San José dem NAP von Pacific Bell Konkurrenz machen.) Diese Geographie war wohlüberlegt. Der Erfolg der Netzknoten, das war der National Science Foundation bewusst, würde davon abhängen, dass sie gleichmäßig über das ganze Land verteilt waren und bestimmte regionale Märkte versorgten. Diese räumliche Nähe war wichtig. Schon in der Ausschreibung waren daher »Kalifornien«, Chicago und New York als »vorrangige Standorte« genannt worden. Die Entscheidung, den NAP von Sprint in einem Betonbunker in Pennsauken einzurichten, 150 Kilometer südöstlich von New York, fiel aufgrund der Anbindung des dort

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