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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
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Erde, hier lag die Nahtstelle zwischen dem globalen Gehirn und der Erdkruste. Was mich an diesem Raum so faszinierte, war, wie plastisch dieser Gedanke hier wurde. Natürlich befinden wir uns immer an einem ganz bestimmten Ort auf diesem Planeten, doch das ist uns nur selten wirklich bewusst. Deshalb klettern wir so gern auf Berge oder laufen über Brücken: um uns wenigstens vorübergehend zu vergewissern, dass wir uns an einem ganz bestimmten Ort auf der Weltkarte befinden. Doch dieser Ort hier lag im Verborgenen. Er ließ sich nur schlecht mit der Kamera einfangen, es sei denn, man mag Bilder von Abstellräumen. Unter den Landschaften des Internets jedoch war dieser Ort etwas Besonderes. Hier flossen mächtige Ströme zusammen, hier befand sich die Einfahrt in einen Welthafen, nur dass es hier weder Leuchtturm noch Wegweiser gab. Er lag unterirdisch, still und dunkel – und war doch aus Licht.
    Troyer war meiner merkwürdigen Suche von Anfang an wohlgesonnen gewesen. Er sah, wie aufgeregt ich war, als ich in diesen kleinen Raum kam, der das ganze Gebäude – und damit einen großen Teil des Internets – in unserem guten alten Planeten Erde zu verankern schien. »Der Grundgedanke dieses Gebäudes ist simpel: Daten sollen hier ein- und ausgehen können«, sagte er wie zu sich selbst. »Es ist der physische Knotenpunkt, an dem sich das Internet so vernetzt, dass es dem Nutzer nahtlos und transparent erscheint. Wo Sie gerade stehen, das ist hier zufällig die größte Konzentration von Providern in einer einzigen Anlage in den ganzen USA .« Von all den Orten, an denen sich Netzwerke vernetzen, war dies einer der größten – das Drehkreuz der Drehkreuze. Heiß und still. Ich konnte es riechen: Es roch nach Erde.
    Ich musste bei dem Gedanken unwillkürlich lächeln – was für ein einzigartiges Stück Internet dies doch war. Bis mich Troyer ziemlich unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Wie am Türschild abzulesen war, handelte es sich hier um den Glasfaserraum 1. Am anderen Ende des Gebäudes lag Glasfaserraum 2. Und dann gab es noch all die anderen Gebäude auf dem Gelände, jedes mit mehreren eigenen Glasfaserräumen genau wie diesem. Das Zentrum lag hier, aber auch dort. Und dort. Und dort. Das Internet war hier und dort und überall.
    Wir liefen den langen Weg durch das Gebäude zurück bis zum roten Silo, wieder durch die Personenschleuse hindurch und in die Empfangslobby. Ich schob dem Wachmann hinter seiner kugelsicheren Scheibe durch den Schlitz meinen Besucherausweis zu. Wir stemmten uns gegen die unscheinbare Tür und traten aus dem kalten, dunklen Gebäude hinaus in das heiße, gleißende Sonnenlicht Virginias.
    Troyer hob schützend eine Hand und stöhnte: «Ah! Verfluchter Feuerball!«

    22 E. B. White, Here Is New York , New York 2000, S. 5.
    23 Sherry Turkle, Verloren unter 100 Freunden. Wie wir in der digitalen Welt seelisch verkümmern , München 2012, S. 268f.
    24 Rich Miller, ›Palo Alto Landlord Sues Equinix‹, Data Center Knowledge , 20. September 2010, http://www.datacenterknowledge.com/archives/2010/09/20/palo-alto-landlord-sues-equinix/ [13.04.2012].
    25 Abrufbar ist das US -Patent Nr. 6 515 224 in der Internetdatenbank des United States Patent and Trademark Office, http://patft.uspto.gov/ [13.04.2012].
    26 Guinness World Records 2004, New York 2003.

4 Das ganze Internet
    An jenem Abend übernachtete ich bei meiner Schwester in Washington und erzählte meiner achtjährigen Nichte, was ich bei Equinix gesehen hatte. Sie gehört einer Generation an, die mit Chatrooms, YouTube, Skype und iPad groß geworden ist. In der virtuellen Welt bewegt sie sich wie ein Fisch im Wasser. Und wie die meisten Achtjährigen ist sie schwer zu beeindrucken. »Ich habe das Internet gesehen!«, erzählte ich ihr. »Oder zumindest einen wichtigen Teil davon.« Von Erwachsenen war ich es gewöhnt, dass sie bei solchen Sätzen die Stirn runzelten, voller Skepsis, ob sich die physische Realität des Internets so einfach erfassen lasse. Aber meine Nichte fand das kein bisschen seltsam. Wenn man das Internet als etwas Magisches betrachtet, dann fällt es schwer, es in seiner physischen Realität zu begreifen. Wenn man jedoch wie sie niemals eine Welt ohne Internet gekannt hatte, warum sollte das Internet dann nicht etwas Greifbares sein, irgendwo da draußen? Es war gut, dachte ich mir in jenem Moment, wie ein Kind mit offenen Augen und völlig frei von Vorurteilen durch die Welt zu gehen. Und Equinix

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