Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
noch Verkäufer, weder Manager noch Erfinder. Sie sind Administratoren, die dafür sorgen, dass der Internetverkehr nicht ins Stocken gerät – im Interesse ihrer Firmen, aber auch im Interesse aller anderen Netzwerktechniker. Charakteristisch für das Internet ist, dass kein Netzwerk eine Insel ist. Ein Techniker kann noch so überragend sein; ohne den Techniker, der das benachbarte Netzwerk administriert, ist er keinen Pfifferling wert. Wer zu einem NANOG -Treffen reist, tut das daher nicht wegen der offiziellen Vorträge, sondern um zu »netzwerken«, und zwar im buchstäblichen Sinn des Wortes. Auf der Tagung, die ich besucht habe, wurden natürlich viele Visitenkarten ausgetauscht, aber eben auch viele Internetrouten. Ein NANOG -Treffen ist das menschliche Abbild der logischen und physischen Verbindungen des Internets. Es dient dazu, die sozialen Bande zu festigen, die den technischen Banden des Internets zugrunde liegen – ein chemischer Prozess mit reichlich Bandbreite und Bier als Katalysator.
Der typischen Berufsbezeichnung eines NANOG ers, »Engineer«, geht in der Regel als nähere Bestimmung eines der Wörter »Data«, »Traffic«, »Network«, »Internet« oder, seltener, »Sales« voraus. Er – neunzig Prozent der Teilnehmer in Austin waren Männer – ist entweder für das Netzwerk eines der größten und bekanntesten Anbieter von Internetinhalten zuständig, wie Google, Yahoo!, Netflix, Microsoft oder Facebook, vertritt einen der größten Eigentümer der physischen Infrastruktur des Internets, wie Comcast, Verizon, AT & T , Level 3 oder Tata, oder irgendein anderes Unternehmen, das für das Funktionieren des Internets eine Rolle spielt, von Routerherstellern wie Cisco und Brocade über Smartphonehersteller wie Research in Motion bis hin zu ehrenamtlichen Delegierten der ARIN ( American Registry for Internet Numbers ) – des umstrittenen, UN -artigen Entscheidungsorgans des Internets. Jay Adelson war bei NANOG -Treffen Stammgast, solange er für Equinix arbeitete, Eric Troyer ließ kaum eine Tagung aus, und Steve Feldman (der MAE -East aufbaute) war Vorsitzender des NANOG -Leitungsgremiums.
Ist die blitzschnelle Reise eines Bits durch das Internet für die meisten von uns ein Buch mit sieben Siegeln, so ist sie für einen NANOG er so vertraut wie der Weg zum nächsten Supermarkt. Zumindest in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich kennt er jede einzelne Abzweigung. Er kann jederzeit aus dem Gedächtnis ein Diagramm der logischen Verbindungen zeichnen und hat wahrscheinlich sogar ihre physische Gestalt vor Augen. Vermutlich hat er sie selbst installiert, die Router konfiguriert (vielleicht sogar fabrikneu ausgepackt) und die nötigen Fernleitungen in Auftrag gegeben (wenn nicht sogar bestimmt, wo genau die Gräben ausgehoben werden sollen). Und er ist ständig mit der Feinjustierung der Datenströme beschäftigt. Martin Levy, »Internet Technologist« bei Hurricane Electric, einer Firma, die ein weitreichendes internationales Glasfasernetz betreibt, hat auf seinem Laptop neben Bildern von seinem Sohn eine Bildergalerie von Routern. Leute wie er haben die besten kognitiven Karten des Internets im Kopf, sie haben die Struktur des Netzes verinnerlicht wie kaum jemand sonst. Und sie wissen, dass für sein reibungsloses Funktionieren – für alles, was Sie online erledigen – der Weg durch das gesamte Internet, von einem Ende zu anderen, völlig frei sein muss.
Die Peering-Gemeinde lässt sich in zwei Lager einteilen: auf der einen Seite Netzwerke, die auf der Suche nach anderen Netzwerken sind, die eine Verbindung zu ihnen herstellen wollen, und auf der anderen die Betreiber von Internetknoten, die miteinander darum konkurrieren, welche dieser physischen Verbindungen in einem ihrer Gebäude hergestellt werden. Die einflussreichsten Leute in beiden Lagern waren meist die Extrovertierteren, die in den Kaffeepausen fleißig Kollegen abklatschten und Visitenkarten verteilten. Sie waren besser angezogen und prahlten damit, wie gut sie Alkohol vertrügen. Nehmen wir zum Beispiel die Peering-Verbindung zwischen Google und dem großen amerikanischen Kabelnetzbetreiber Comcast. Die YouTube-Videos, Gmail-Nachrichten und Google-Suchanfragen der 14 Millionen Comcast-Kunden werden zwischen den Netzwerken der beiden Unternehmen soweit irgend möglich auf direktem Weg ausgetauscht, ohne Umweg über eine »Drittfirma«. Auf physikalischer Ebene findet dieser Austausch in einer Handvoll Gebäuden wie dem in Ashburn
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