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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
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öffentlich bekannt ist, die Bestimmungen des Mietvertrags dagegen Privatsache sind. Renesys zog aus dieser Geschichte den Schluss, dass jeder, dem seine Internetanbindung ernsthaft am Herzen liegt, das Risiko streuen und nicht alles auf eine (Netzwerk-)Karte setzen sollte. Eigentlich lautet das Credo der Netzwerktechniker: »Macht das Internet nicht kaputt.« Aber diese Kooperationsbereitschaft, so Jim Cowie von Renesys, habe Grenzen. »Wenn es ans Eingemachte geht, werden die Leute sehr still. Da steht sehr viel Geld auf dem Spiel, und die rechtlichen Risiken sind gewaltig.«
    Das Peering-Geschäft wird traditionell vom exklusiven Club der größten Internet-Backbones dominiert, die oft als »Tier-1-Netzwerke« bezeichnet werden: Netzwerke »ersten Ranges«. Tier-1-Netzwerke, so die strengste Definition, leisten keinerlei Zahlungen an andere Netzwerke; sie lassen zahlen. Ein Tier-1-Netzwerk hat Kunden und »Peers«, aber keine »Provider«. Das Ergebnis ist eine eng verflochtene Clique von Giganten, die hinter vorgehaltener Hand bisweilen auch als »Kartell« bezeichnet wird. Renesys verfolgt ihre Beziehungen zueinander »anhand ihrer Schatten an der Wand«, wie Jim Cowie es ausdrückt: anhand der Routen, die jedes Netzwerk für die Routingtabelle meldet – die Wegweiser mit der Aufschrift »Zur Website XY hier entlang!« Da die Routen zwar öffentlich, die genauen Bedingungen der Vereinbarungen zwischen den Netzwerken aber Privatsache sind, ist es schwer zu sagen, wer eigentlich zu den Tier-1-Providern gehört. Im Jahr 2010 zählte Renesys dreizehn Unternehmen zur Spitzengruppe. Die vier wichtigsten waren demnach Level 3, Global Crossing, Sprint und NTT . Allerdings wurde Global Crossing 2011 von Level 3 für 3 Milliarden Dollar übernommen – da waren’s nur noch drei.
    Doch in den letzten Jahren hat sich auf dem Peering-Markt einiges getan. Mit zunehmender Größe des Internets ist er deutlich dezentraler geworden. Für kleinere Netzwerke ist es rentabler geworden, sich direkt miteinander zu verbinden, nicht zuletzt deshalb, weil viele dieser kleineren Netzwerke gar nicht mehr so klein sind. Und während eine solche unmittelbare Vernetzung früher eher auf regionaler Ebene zu beobachten war (wie in Minnesota), findet sie heute öfter auf globaler Ebene statt. Die neuen Akteure auf dem Peering-Markt unterscheiden sich insofern von den angestammten, als sie nicht in erster Linie »Carrier« sind, die den Traffic anderer Unternehmen von A nach B bringen; vielmehr haben sie mit ihrem eigenen Traffic alle Hände voll zu tun. Sie sind sozusagen die Internetversion einer Universität, die zwischen zwei Standorten einen Shuttlebus organisiert, anstatt sich auf den ÖPNV zu verlassen – oder eines Großkonzerns, der Privatmaschinen zwischen zwei Städten chartert. Wenn das Verkehrsaufkommen zwischen zwei Orten groß genug ist, lohnt es sich, ihn in Eigenregie abzuwickeln.
    Unter diesen neuen Akteuren finden sich einige der bekanntesten Namen im Internetgeschäft, wie Facebook und Google. In den vergangenen Jahren haben beide Konzerne enorm viel Geld in ihr globales Netz investiert, meist nicht indem sie eigene Glasfaserkabel verlegt hätten (obwohl Google sich an der Verlegung eines neuen Seekabels im Pazifik beteiligt hat), sondern indem sie in bestehenden Leitungen einen erheblichen Teil der Bandbreite gemietet oder gleich ganze Glasfasern gekauft haben. Dadurch bauen Unternehmen wie Google und Facebook sich logisch unabhängige globale Netzwerke auf: Sie besitzen ihre eigenen Pfade innerhalb bestehender physischer Leitungen. Der entscheidende Vorteil dabei ist, dass sie ihre Daten speichern können, wo immer sie wollen – im Fall von Facebook in Oregon und North Carolina –, und sie, parallel zum öffentlichen Internet, innerhalb ihres Privatnetzwerks zu ihrem Zielort leiten können.
    Dieser Zielort ist nicht Ihr Bildschirm, sondern ein großer Internetknoten – und durch diese Architektur werden die Internetknoten nur noch wichtiger. Wenn Sie sich schon die Mühe machen, Ihr eigenes Netzwerk aufzubauen, dann brauchen Sie Zielpunkte, die anzusteuern sich lohnt: gute regionale Verteilerknoten. Also besorgt ein solches Netzwerk sich eine Verbindung nach Ashburn und hängt dort ein Schild mit der Ankündigung auf, dass es sich gern mit anderen Netzwerken vernetzen möchte. Manchmal handelt es sich dabei buchstäblich um ein Schild: ein bedrucktes Plakat, das außen an einem Käfig befestigt ist, um die

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