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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
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der Reserveswitch auf der anderen Seite der Stadt im Handumdrehen übernimmt. Innerhalb von 10 Millisekunden.
    Als die Frau vom Sicherheitsdienst endlich kam und uns zum Eingang begleitete, hatten wir Mühe, ihrem Tempo zu folgen. Mit seiner Schlüsselkarte öffnete Nipper uns die Tür zur Eingangshalle des Rechenzentrums, und dann die Tür zu einem weiteren, von Neonlampen hell erleuchteten Vorraum mit makellos weißen Wänden. Dort gab es einen kleinen Tumult. Ein Bauarbeiter im blauen Overall war im gläsernen Zylinder der Personenschleuse gefangen wie ein Tintenfisch in einem Reagenzglas. Der Fingerscanner hatte seine schmutzigen Hände nicht erkannt und ihn eingesperrt, zur Freude seiner feixenden Arbeitskollegen auf beiden Seiten der Schleuse. Im Vergleich zu Equinix wirkte hier alles weniger »cybermäßig« und futuristisch, eher wie ein teutonisches Gefängnis. Als wir an der Reihe waren, bellte die Wachfrau etwas in ihr Funkgerät, und beide Türen der Personenschleuse sprangen weit auf. Ein Hup-Ton erklang, und sie bugsierte uns durch die Schleuse.
    Die Serverkäfige drinnen waren keine Käfige, sondern abgeschlossene Räume aus beige lackiertem Stahl, der hoch bis an die Decke reichte, die von mittlerweile vertrauten Strängen aus gelben Glasfaserkabeln überzogen war. Jeder Raum war mit einem Zahlencode mit Dezimalpunkt beschriftet – Logos oder Namen waren nirgends zu sehen. In Europa sind Stromleitungen und Kühlsysteme in der Regel im Unterboden installiert, wohingegen sie in den USA an der Decke verlaufen. Als wir zum Raum von DE - CIX kamen, gab die Wachfrau Nipper einen an einem grünen Gummiarmband befestigten Schlüssel, als ginge es um ein Tresorfach in einer Bank. Der Raum, sauber und ganz in Beige gehalten, glich in Größe und Ambiente einer Flughafentoilette. Das Lärmen der Maschinen war ebenso ohrenbetäubend wie in Ashburn, und Nipper musste schreien, damit ich ihn verstehen konnte.
    »Eines unser Prinzipien ist, alles so einfach wie möglich zu gestalten, aber auch nicht einfacher«, sagte er in Anspielung auf Einstein. Die »Topologie« von DE - CIX , wie Fachleute sagen, ist eine Eigenentwicklung. Die Verbindungen zu jedem einzelnen der mehr als 400 Netze, die hier Daten austauschen, werden in einer Handvoll Glasfaserkabel gebündelt. Dann folgt ein »Fiber Protection Device« mit der Funktion eines Zweiwegeventils, das den Datenfluss zwischen den zwei zentralen Switches von DE - CI X steuert, dem aktiven hier und dem Reserveswitch am anderen Ende der Stadt, der ständig auf »Standby« ist. Die Aufgabe dieser Zentrale besteht darin, den eingehenden Traffic durch die richtige Tür wieder hinaus- und zu seinem Ziel zu leiten. Der Großteil des Datenstroms wird mit Lichtgeschwindigkeit durch den aktiven Switch geschickt, aber fünf Prozent des Signals werden zum permanent einsatzbereiten Reserveswitch umgeleitet.
    »All diese Server kommunizieren ständig miteinander. Wenn einer ausfällt, schickt er allen anderen Servern die Anweisung zum Umschalten, und das passiert innerhalb von 10 Millisekunden«, so Nipper. Vier Mal im Jahr testet er das System, indem er in den ruhigen Mittwochmorgenstunden von einem Switch auf den anderen umschaltet. Obwohl die Kunden aus aller Herren Länder stammen, verläuft die Kurve der Datenströme, die den DE - CIX passieren, wellenförmig. Sie steigt tagsüber an und erreicht ihren Höhepunkt am Abend deutscher Zeit, wenn es sich alle vor dem Bildschirm gemütlich machen, um einzukaufen oder Videos zu streamen. Während mir Nipper das alles erklärte, stand die Wachfrau am Ende des Ganges und ließ uns nicht aus den Augen, wie ein Ladendetektiv im Supermarkt.
    Den eigentlichen Switch – die Kronjuwelen – hob Nipper sich für den Schluss auf. Er stocherte mit dem Schlüssel am grünen Armband im Schloss des Serverschrankes herum und öffnete schließlich mit einem scherzhaften »Tatah!« die Tür. Einen Augenblick lang stockte mir bei diesem Anblick der Atem: eine schwarze Maschine in einem Standardgehäuse. Gelbe Glasfaserkabel, die aus ihr hervorquollen wie Spaghetti aus einer Nudelmaschine. Dutzende von geschäftig blinkenden LED s. Ein weißes Etikett mit dem Aufdruck »Core1.de-cix.net«. Ein kleines Schild mit der Aufschrift » MLX -32«.
    In The IT Crowd fragt die hohlköpfige Jen: »Das ist das Internet? Das ganze Internet?« Der Switch sah ehrlich gesagt ziemlich genauso aus wie alle anderen Maschinen, die das Internet am Laufen halten. Ich

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