Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
spektakulären Strand mündet, einem kleinen Halbmond zwischen hohen Felsen. Die Vegetation war fast tropisch, mit kargen Bäumen und Blumen, und das Wasser türkis. Die Falmouth, Gibraltar and Malta Telegraph Company landete hier 1870 ihr erstes Kabel an, das nach Malta führte. Man gab diesem Strand den Vorzug vor dem sechzig Kilometer weiter östlich gelegenen Falmouth, aus Sorge, das Kabel könnte im viel befahrenen Hafen von Falmouth von Ankern beschädigt werden. (Cooper hätte es nicht anders gemacht.) Wenige Jahre später wurden über Porthcurno jährlich Telegramme mit insgesamt 200 000 Wörtern übertragen, und weitere Kabel waren in Planung. Um 1900 war Porthcurno der Dreh- und Angelpunkt eines globalen Netzes von Telegraphenkabeln, das England mit Indien, Nord- und Südamerika, Südafrika und Australien verband. 1918 lag die Zahl der durch dieses Tal geleiteten Wörter bereits bei 180 Millionen pro Jahr. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war Porthcurno – oder » PK «, wie es in der Telegraphie genannt wurde, nach der früheren Schreibweise »Porth Kernow« – die größte Seekabel-Landestation der Welt. Cable & Wireless, wie das Unternehmen mittlerweile hieß, betrieb von diesem Tal aus 14 Kabel mit einer Gesamtlänge von 240 000 Kilometern. Um sie vor Sabotageakten der Nazis zu schützen, wurden am Strand Flammenwerfer installiert und Bergleute angestellt, um die Granitfelsen auszuhöhlen und die ganze Station in den Untergrund zu verlegen. Nach dem Krieg verwendete Cable & Wireless die erweiterten Anlagen als firmeneigenes Schulungszentrum. Mitarbeiter aus der ganzen Welt kamen in diesem Tal zusammen und lernten mit dem Equipment umzugehen, ehe sie zu den Cable-&-Wireless–Stationen auf der ganzen Welt ausgesandt wurden. Die Schule bestand bis 1993 und hat in dieser Zeit eine eingeschworene Gemeinschaft von Leuten hervorgebracht, die gern an ihre Zeit in Cornwall zurückdenken. Porthcurno ist ihre geistige Heimat. Heute ist in dem Bunker ein Telegraphiemuseum untergebracht, in dem zahlreiche Originalgeräte ausgestellt sind und in Endlosschleifen historische Filmaufnahmen gezeigt werden.
Am Abend war ich einer von zwei Gästen, die im »Cable Station Inn« zu Abend aßen. Das Pub ist im ehemaligen Freizeitgebäude des Ausbildungszentrums untergebracht, die aktuellen Besitzer haben es unmittelbar der Cable & Wireless abgekauft. Ihr Nachbar – ein guter Kunde, wie es schien – leitete eine der Landestationen hier und war offenbar ein ziemlicher Wichtigtuer. »Wenn der zu erklären anfängt, kommt er vom Hundertsten ins Tausendste, aber er kennt sich mit solchen Sachen aus wie sonst keiner«, erzählte mir der Wirt. »Google googelt ihn!«
»Vielleicht kann er Sie ein wenig herumführen?«, schlug seine Frau vor.
»Nein, nein, so einfach ist das nicht«, fuhr er ihr über den Mund.
* * *
Am nächsten Morgen besuchte ich das Archiv des Telegraphiemuseums. Eine Rentnerin, die sich durch einen dicken Stapel alter Schulregister kämpfte, stieß einen schrillen Schrei aus: Ihr Onkel war vor der Hochzeit ihrer Großeltern zur Welt gekommen. Ich setzte mich im alten Schulungsgebäude an einen langen Holztisch, während Alan Renton, der Archivar, Schachteln mit Dokumenten über frühe Kabelanlandungen an diesem Strand hervorkramte sowie von Landvermessern erstellte Karten der Bucht. Der Bericht über die Verlegung des »Porthcurno-Gibraltar-Kabels Nr. 4« aus dem Jahr 1919 war das Werk eine kompetenten Technikers wie er im Buche steht. Das Kabelverlegungsschiff »Stephan« lief Ende November in Greenwich aus. An Bord hatte es ein von den Gebrüdern Siemens hergestelltes Kabel mit einer Länge von 1416,064 Seemeilen. Einige Tage später ging die »Stephan« bei schwacher Brise aus Nordost in der Bucht von » PK « vor Anker und schickte das Kabel, das im Wasser von 90 Holzfässern getragen wurde, an Land. Am selben Tag um 17.20 Uhr lichtete sie den Anker, das Kabel rollte sich achtern ab, und die »Stephan« nahm Kurs auf Gibraltar: »Alles ging zufriedenstellend vonstatten.« Innerhalb von zwei Wochen traf sie in der Bucht von Gibraltar ein und bereitete an einem »herrlich sonnigen und klaren« Tag die Anlandung des anderen Kabelendes vor. »Letzte Tests abgeschlossen und den Geschäftsführer informiert«, schließt der Bericht. Das Verlegen von Seekabeln war bereits Routine (auch wenn sich der Techniker über »die offensichtlichen Risiken« beklagte, »die das Verlegen von Kabeln in der Tiefsee in
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