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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
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Verbindungen zwischen den USA und Südamerika entlang der Atlantik- beziehungsweise Pazifikküste. Palings Augen waren blutunterlaufen. Gestern war es spät geworden, weil er per Konferenzschaltung Reparaturarbeiten am Kabel zwischen dem mexikanischen Tijuana und Esterillos in Costa Rica überwachen musste. Er kannte seine Gesprächspartner gut. Seine engsten Kollegen arbeiteten am anderen Ende der Welt – was oftmals gleichbedeutend mit dem anderen Ende des Kabels war. In diesem Metier war das nichts Ungewöhnliches. Ein quer durch einen Ozean verlegtes Kabel funktioniert wie eine einzige Maschine, die Geräte an der einen Küste formen mit denen an der anderen eine Einheit. Früher verfügte jedes Kabel über einen »Dienstkanal«, so dass man über ein Headset direkt mit den weit entfernten Kollegen kommunizieren konnte. Heutzutage ist dieser Dienstkanal meist in das allgemeine Kommunikationssystem einer Firma integriert, aber bei einem früheren Besuch in einer Landestation im kanadischen Halifax hatte ich den Urahn eines solchen Systems in Aktion gesehen. Als ich am Morgen einige Minuten vor dem Leiter der Station eingetroffen war und an der Tür geklingelt hatte, hatten die Kollegen am anderen Ende des Kabels von Irland aus den Türöffner betätigt. Die Anlagen waren miteinander verbunden.
    Paling führte mich in sein Büro und warf seine Schlüssel auf den Schreibtisch, auf dem ein fußballgroßes, ferngesteuertes U-Boot stand. Er deutete mit dem Kopf darauf: »Für Reparaturen«, sagte er. Bloß Spaß – es war ein Spielzeug seines Sohnes. Wir gingen den Gang entlang bis zu einem Raum mit an der Decke verlegten Kabeln, schmale Gänge säumenden Serverschränken und dem vertrauten Lärmen der heiße Luft ausstoßenden Lüfter und Klimaanlagen. Paling führte mich schnurstracks in die Ecke gegenüber der Tür. Ein schwarzes Kabel kam hier aus dem Boden und war mit Metallklemmen an einem stabilen Serverschrank befestigt, der etwa zehn Zentimeter von der Wand weggerückt war. Hergestellt war es in New Hampshire. In einem aufwendigen Prozess waren die acht einzelnen Glasfaserstränge von einer Reihe von Maschinen mit verschiedenen Schichten Gummi, Plastik, Kupfer und Stahl ummantelt worden. Dann war das Kabel zu karussellgroßen Stahlspulen aufgewickelt worden, die aussahen, als hätte man sie in einer Materialsammlung von Richard Serra mitgehen lassen. Ein Schiff hatte am Pier der Fabrik am Piscataqua River festgemacht, und die vielen Tausend Kilometer Kabel waren über einen 400 Meter langen Steg in drei zylinderförmigen Tanks im Rumpf des Schiffes versenkt worden. Draußen auf dem Meer hatte das Schiff das Kabel achtern abrollen lassen, während es einer genau geplanten Route gefolgt war, die von einem Strand auf Long Island einmal quer über den Ozean bis zur weit ausladenden Whitesand Bay geführt hatte, keine zwei Kilometer von der Landestation entfernt. Von dort verlief es unter den Kühen hindurch bis zu diesem großen Haus, durch die Grundmauern und kam hier an die Oberfläche. Kurz vor dem Ende war ein kleines Schild angebracht: » AC -1 Cable to USA «. Für Paling war das einfach das Schild neben seinem Schreibtisch. Für mich war es einer der faszinierendsten Wegweiser, die ich je gesehen hatte. Er wies den Weg in meine Heimat, auf einer für den Menschen völlig unzugänglichen Route – der ich im Grunde doch schon Tausende Male gefolgt war. »Das ist das Kabel in die USA «, sagte Paling. Viel plastischer konnte einem das physische Internet kaum vor Augen treten.
    Nachdem ich dem Kabel nun schon einmal über den ganzen Atlantik gefolgt war, verfolgte ich es noch ein bisschen weiter, zum anderen Ende der Station. Paling zeigte mir die »Fernspeiseeinrichtung«, einen weißen Kasten von der Größe eines Kühl-/Gefrierschranks. Dieses Gerät jagte viertausend Volt durch die Kupferhülle des Kabels, um die Repeater mit Strom zu versorgen, die am Meeresboden die Lichtsignale verstärken. Die Schwestermaschine am anderen Kabelende, auf Long Island, war auf dieselbe Voltzahl eingestellt, so dass sich die Energieströme in der Mitte trafen; als Rückleiter diente das Meerwasser. »Wir legen negative Spannung an, die anderen positive«, so Paling. Der Strom floss in eine Richtung, geschoben und gezogen zugleich.
    Das Licht, das durch die Kabel pulsierte, wurde von einer ganzen Batterie anderer, ebenso großer Maschinen ausgesandt (und empfangen), die gleich daneben aufgereiht waren. Paling nahm ein

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