Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
– das erste richtige Date fixiert. Danach war Benjamin so aufgedreht, dass er nicht einschlafen konnte. Er sah ausnahmsweise fern, in der vergeblichen Hoffnung, dass ihn dies ermüden würde. Anschließend ging er in den Fitnessraum des Hotels und peinigte seinen Körper mehr als eine halbe Stunde lang mit Sit-ups, Liegestütz und Klimmzügen. Nicht, dass er auf diesem Weg seinen Waschbärbauch in einen Waschbrettbauch verwandeln konnte, aber so hatte er wenigstens das Gefühl, etwas für sein Aussehen getan zu haben. Schlussendlich – bereits nach Mitternacht – war er in einen unruhigen Schlummer gefallen. An einen, den letzten Traum konnte er sich noch sehr genau erinnern: heißer, tabuloser Sex mit Natascha in einem gewaltigen Himmelbett, erfüllt von nicht enden wollender Lust und Leidenschaft. Vermutlich lag es an diesem Traum, weshalb er verschlafen hatte.
Straubing, Polizeipräsidium Niederbayern
Samstag, 6. Januar, 08:05 Uhr
„Da bist du ja endlich!“
Bernhard hätte am liebsten die Augen geschlossen. Anna wirkte wie neu geboren; energisch, tatendurstig und topfit. Dabei musste sie deutlich weniger Schlaf bekommen haben als er selbst. Bernhard hingegen fühlte sich wie gerädert. Er hatte eine unruhige Nacht durchlebt, immer wieder war er schweißgebadet erwacht. Sein Gesicht erinnerte momentan wohl eher an einen Totenkopf als an das Antlitz eines lebendigen Menschen.
„Guten Morgen“, begann Bernhard. „Hast du …?“
„Das Autokennzeichen stammt von dem Wagen einer Verleihfirma in München“, sprudelte Anna los. „War nicht einfach daraufzukommen. Unsere erste Annahme war nicht ganz richtig. Als ich mit der Kombination ‚M-B-S-8-2-0-6‘ keinen Treffer bekommen habe, bin ich die Detailaufnahmen der Spurensicherung durchgegangen. Das ‚B‘ hätte demnach auch ein ‚R‘ und der Sechser am Schluss eine Fünf sein können. Mit dieser Ziffernfolge hatte ich Glück. Die Firma nennt sich Autovermietung Sunny Cars.“
„Sunny Cars?“ Bernhard zog die Augenbrauen hoch. „Unser Mann hat eindeutig einen Hang zum schwarzen Humor. Wo befindet sich der Laden?“
„Im Stadtteil Obermenzing. Habe dort angerufen, das fragliche Fahrzeug hatte von Mittwoch auf Donnerstag einen Mieter“
„Ausgezeichnete Arbeit.“ Bernhard konnte nicht umhin, Annas Tatkraft und Ermittlungstalent zu bewundern. „Am besten wir packen unsere Sachen und …“
„Schon geschehen“, unterbrach ihn Anna. „Wir können sofort aufbrechen.“
Kitzbühel, Pension Schmidinger
Samstag, 6. Januar, 08:13 Uhr
„Los, beeil dich, es ist gleich Viertel nach acht!“
Sonja legte den Kopf schief, während sie ihre Jacke zuknöpfte. „Sag mal, ist irgendwas? Du wirkst heute so … überdreht.“
Raphael blinzelte nervös. „Ach wo“, erwiderte er leichthin. „Ich möchte nur rasch auf die Piste.“
„Soso. Und weshalb fahren wir nach Jochberg und steigen nicht gleich hier in den Lift?“
„Ich will die Dreiseilumlaufbahn sehen.“
Sonja zog die Augenbrauen hoch. „Seit wann interessierst du dich für Seilbahnen?“
„Normalerweise nicht“, gab Raphael zu. „Aber die 3S-Bahn soll sehr beeindruckend sein.“
Sonja warf einen Blick auf Raphaels prall gefüllten Rucksack. „Sag bloß, du hast wieder das Seil und die Taschenlampe eingepackt.“
„Selbstverständlich“, entgegnete Raphael. „Man weiß nie, ob man die Sachen nicht brauchen kann.“
Sonja lächelte nachsichtig, zog ihre Stiefel an und trat auf den Gang.
Raphael kratzte sich nervös am Hinterkopf, als er ihr folgte.
Ob sie etwas ahnt?
, dachte er. Sie marschierten in das Kellergeschoss, holten ihre Schiausrüstung und traten ins Freie.
„Achtung“, sagte Sonja vor ihm. „Am Gehsteig ist es glatt.“
Raphael warf einen Blick gen Himmel. Ein paar letzte Regentropfen fielen aus einer rissig-grauen Wolkendecke, doch manche der fernen Berggipfel waren bereits in das goldene Licht der aufgehenden Sonne getaucht. Dazu war es windstill und – für Anfang Januar – überraschend mild. Es schien ein prachtvoller Wintertag zu werden.
Perfektes Wetter für einen Heiratsantrag
, dachte Raphael.
Seilbahn GmbH Kitzbühel
Samstag, 6. Januar, 08:22 Uhr
„Ein Herr Stamberger vom Wetterdienst hat angerufen“, rief ihm die Sekretärin zu, als Benjamin an ihr vorbei in Richtung seines Büros stürmte. „Er meinte, es sei wegen dem Sturm und dringend.“
„Ich rufe zurück“, erwiderte Benjamin über die Schulter und kramte nach seinem Schlüssel.
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