Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)

Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)

Titel: Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mortimer M. Müller
Vom Netzwerk:
eine Wolkenfront, himmelhoch und undurchdringlich. Ein schrilles Brausen war zu vernehmen, das immer mehr anschwoll, wie das misstönende Pfeifen eines gigantischen Wasserkochers. Das Unwetter musste sie jeden Moment erreichen.
    „Ich glaube, wir sollten nicht weiterfahren“, sagte Monty.
    „Ach ja?“, fauchte Clement. „Und was willst du tun? In ein Erdloch krabbeln wie ein Kaninchen?“ Er ignorierte Montys undeutliche Erwiderung, die ungefähr „Warum nicht?“, lautete und gab Gas.
    Im selben Augenblick fauchte eine orkanartige Böe heran, brandete gegen die Fahrzeuge und schleuderte sie zur Seite. Clement gelang es abzuspringen, ehe sein Motorroller am Asphalt aufschlug. Er warf sich zur Seite, presste sich gegen den heulenden Sturm auf den Boden und sog keuchend die Luft ein. Ein Schrei erklang, und wenige Schritte vor ihm schlitterte Montys Maschine funkensprühend über den Asphalt. Monty selbst war wie vom Erdboden verschluckt.
    Eine weitere Böe fegte über Clement hinweg, entwurzelte eine mannsdicke Fichte und schleuderte sie über die Straße. Mit einem Mal war die Luft erfüllt von Dreck, Laub und nadelspitzen Steinen. Das Pfeifen steigerte sich zu einem ohrenbetäubenden Brüllen, durchsetzt vom Krachen und Bersten fallender Bäume. Fortwährend zuckten grelle Blitze durch die Nacht. Sie erhellten einen zerrissenen Himmel, erfüllt von umherwirbelnden Trümmern, Staub und ersten, schweren Regentropfen.
    Etwas traf Clements Oberarm mit der Wucht eines Vorschlaghammers. Ein hartes Knacken, eher gefühlt als gehört, und eine Woge feurigen Schmerzes brandete durch seinen Körper. Clement verlor den Halt, der Sturm drückte ihn zur Seite und schob ihn wie eine hilflose Schaufensterpuppe auf die scharfkantigen Überreste seines Motorrollers zu. Er wollte sich festklammern, legte alle Kraft in die Finger seines gesunden Armes, aber der Asphalt war glatt und fugenlos.
    Eine Berührung an der Seite, und Clement fühlte sich gepackt und in Richtung Straßenrand gezerrt. Monty rollte sich kopfüber in den Straßengraben und zog seinen Freund hinter sich her – gerade noch rechtzeitig, denn im selben Moment wirbelte ein monströser, schwarzer Schatten über sie hinweg. Clement brüllte aus Leibeskräften, heulte seinen Schmerz in die Nacht hinaus. Aber der dämonisch tosende Orkan verschluckte jeden Laut.
    Sie klammerten sich aneinander, duckten sich in den Straßengraben und starrten furchtsam in die Finsternis; gefangene Kaninchen, Aug’ in Aug’ mit einem gnadenlosen Jäger.

Innsbruck, Pradl
Samstag, 6. Januar, 05:43 Uhr
    „Spinnst du?!“, brüllte Andreas in sein Mobiltelefon und richtete sich ächzend im Bett auf. „Weißt du, wie spät es ist? Ich habe heute dienstfrei, verdammt noch mal!“
    „Eine präfrontale Gewitterlinie steht an der deutschfranzösischen Grenze“, erwiderte Peter so sachlich und nüchtern, dass Andreas innerer Alarmzeiger ausschlug wie ein Geigerzähler.
    „Häh?“ Andreas verstand nur Bahnhof.
Präfrontal … also vor der Kaltfront … Gewitterlinie an der deutschen Grenze … aber der Luftmassenwechsel ist doch erst

    „Man könnte glauben, es ist Sommer“, fuhr Peter unbeeindruckt fort. „Eine Konvergenz mit erhöhten Feuchtigkeitswerten und gekoppelter Höhenkaltluft, die der eigentlichen Bodenfront vorausläuft. Linienhaft organisierte, von der Grundschicht abgehobene Konvektion. Meldungen von schweren Orkanböen aus weiten Teilen Frankreichs, unglaubliche Zuggeschwindigkeit des Systems. Hatte gestern Abend kein Modell drinnen.“
    Allmählich erwachten Andreas’ Gehirnzellen aus ihrer nächtlichen Lethargie. „Moment mal“, sagte er und zupfte an seinen Barthaaren. „Hast du vorhin nicht gemeint, die Gewitter wären schon in Deutschland?“
    „Beinahe. Erreichen soeben Strasbourg.“
    „Das bedeutet, es sind nur noch …“
    „… zweihundert Kilometer bis zur österreichischen Grenze, genau. Auch das Sturmtief ist viel rascher unterwegs. Sein Kern liegt momentan über Luxembourg. Unsere und, so nebenbei, auch die Warnungen der anderen meteorologischen Institutionen bezogen sich auf den Zeitraum AB Mittag, nicht davor.“
    „Das heißt wir …“ Andreas brach ab. Ein unangenehmes Stechen fuhr durch seine linke Wade. „Wie lange?“, fragte er.
    „Weniger als drei Stunden.“

Innsbruck, ZAMG, Wetterdienststelle
Samstag, 6. Januar, 06:23 Uhr
    „Verflucht.“ Andreas biss sich auf die Lippen. „Das sieht nicht gut aus.“
    Peter nickte wissend.

Weitere Kostenlose Bücher