Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
zwischen die Zähne zu schieben.
„Sei nicht so gierig“, tadelte Doris. „Sonst hast du bald keine Zuckerschlangen mehr.“
„Du kaufst mir neue“, stieß Samantha zwischen Kauen und Schlucken hervor und fuhr fort, sich einen Fruchtgummi nach dem anderen in den Mund zu stopfen; etwa so, als wäre sie ein halb verhungertes Backenhörnchen.
Schiregion Kitzbühel, Piste 66, nahe 3S-Talstation
Samstag, 6. Januar, 09:50 Uhr
Die tief hängenden Wolken lichteten sich schlagartig. Benjamin erblickte die Talstation der Dreiseilumlaufbahn wenige Dutzend Meter vor sich. Er drosselte die Geschwindigkeit des Schneemobils und schob die Schibrille auf seine Stirn. Es sah nicht danach aus, als würden sich die Kabinen der Seilbahn bewegen.
Benjamin parkte den Motorschlitten an der windabgewandten Seite der Station und eilte nach drinnen. Ibrahim saß im Kontrollraum und führte ein Gespräch über Funk. Als Benjamin eintrat, blickte er auf und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
„Ah, da bist du ja!“, sagte Ibrahim und grinste breit.
So sehr Benjamin die stets gute Laune des Afrikaners schätzte, im Moment empfand er sie für entschieden unangebracht.
„Wie sieht es aus?“, fragte er knapp.
„Der Notantrieb ist ausgefallen.“
„Weshalb?“
„Laut Anzeige ist das Zugseil blockiert. Von hier unten lässt sich aber nichts erkennen. Auch Natascha meint, ihr ist nichts aufgefallen. Sie fährt gerade mit Jürgen im Bergewagen.“
Benjamin spürte einen Stich in der Brust. „Wer hat die Erlaubnis dazu gegeben?“, fragte er scharf.
„Äh … Franz war’s, glaube ich.“
Benjamin fluchte leise. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass Natascha bei diesem Sturm im ungeschützten Bergewagen hockte. Noch dazu in Begleitung eines Mitarbeiters, den Benjamin für nicht allzu fähig hielt.
„Habt ihr die Fahrgäste in den Kabinen informiert?“, erkundigte er sich.
„Ja. Natascha hat vorhin eine Durchsage gemacht.“
Benjamins Mobiltelefon vibrierte.
„Hallo?“
„Endlich“, erklang Sebastians Stimme. „Ich dachte schon, das Mobilfunknetz ist zusammengebrochen.“
Noch nicht
, dachte Benjamin grimmig, dem das Knistern und Knacken in der Leitung nicht entgingen. „Wo zum Teufel steckst du?“, fragte er.
„In einer Kabine der 3S-Bahn. Ich wollte wissen, ob …“
„Was? Ich dachte du bist längst oben. Natascha hat dich gesucht.“
„Hat länger gedauert als geplant. Kannst du mir sagen, was los ist? Vorhin hat ein Blitz eingeschlagen, und die Kabine ist mit einem Ruck stehen geblieben.“
„Ein Blitz?“ Benjamin horchte auf.
„Ja. Also, ich vermute es, weil …“ Sebastian verstummte. Im Hintergrund waren Stimmen zu vernehmen. „Einer der Passagiere meint, der Blitz hat in die Seilbahnstütze eingeschlagen“, fuhr Sebastian fort. „Mit Sicherheit kann er es aber nicht sagen.“
„Klingt nicht gut“, murmelte Benjamin und kniff die Augen zusammen. „Jedenfalls funktioniert weder der reguläre noch der Notantrieb. Aber der Bergewagen ist bereits unterwegs. Das heißt, die Kabinen werden mittels Seilbahnwinde in die Station geschleppt. Klappt bisher problemlos und sollte in ein bis zwei Stunden abgeschlossen sein.“
„Wäre vielleicht gut, wenn ihr eine Durchsage macht, damit auch die Passagiere in den anderen Gondeln Bescheid wissen.“
„Natürlich, das … Moment. Natascha hat vorhin eine Meldung durchgegeben.“
„Also hier nicht. Wenigstens war nichts zu hören.“
Benjamin warf Ibrahim einen fragenden Blick zu. Dieser zog Augenbrauen und Schultern hoch und nickte bestätigend.
„Wie auch immer“, sagte Benjamin. „Dann wiederholen wir die Durchsage. Wie ist die Stimmung unter den Fahrgästen?“
„Ruhig und besonnen. Keine Gefahr von Mord und Totschlag.“
Benjamin lächelte schwach. „Dann sorg dafür, dass es auch die nächsten zwei Stunden so bleibt.“
Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Bergstation
Samstag, 6. Januar, 09:51 Uhr
Der Sturm erfasste den Bergewagen, kaum dass er den Schutz der Station verließ. Er heulte und pfiff um das flache Gefährt, sodass die Seilrollen unangenehm knirschten und das Fahrzeug spürbar zu schwanken begann. Die beiden Sitzflächen waren nur durch ein seitliches Metallgitter geschützt. Natascha und Jürgen hatten sich Handschuhe und Sturmhauben übergezogen, dennoch trieb ihnen der heftige Wind die Tränen in die Augen. Immerhin lugte hie und da die Sonne zwischen den Wolken hervor.
Natascha konnte sich nicht erinnern, jemals in
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