Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
seiner Partnerin ab. Er glaubte nicht, dass es Anna auffiel.
Bernhards Mobiltelefon vibrierte. Der Kriminalbeamte visierte einen windgeschützten Torbogen an, zog seine Kollegin hinter sich her und drückte das Gerät ans Ohr.
„Ja?“
„Michael hier.“
„Michael?“ Bernhard benötigte einige Sekunden, bis er der Stimme ein Gesicht zuordnen konnte. Es handelte sich um den jungen Gerichtsmediziner aus Arnbruck, der die Leiche obduziert hatte. „Ach ja, Entschuldigung.“
„Kein Problem. Du wolltest so rasch wie möglich informiert werden, wenn die ersten Ergebnisse vorliegen.“
„Stimmt, danke.“
„Es handelt sich um denselben Täter. Wir haben die genommenen Proben mit den Daten der anderen Morde verglichen. Das Ejakulat enthält dieselbe DNA. Keinerlei Anzeichen einer zweiten Person.“
„In Ordnung. Gab es sonst Auffälligkeiten?“
„Nein. Im Übrigen konnten auch kaum Spuren sichergestellt werden. Ein, zwei Härchen, ein paar Hautschuppen. Nicht ein einziger Fingerabdruck. Der Mörder war vorsichtig. Ich vermute, dass er Handschuhe getragen hat. Ach ja, dein weißes Kügelchen ist tatsächlich Styropor.“
„Vielen Dank. Melde dich bitte, wenn es Neuigkeiten gibt.“
Er unterbrach die Verbindung und berichtete Anna von dem Gespräch. Sie blickte ihn lange an, auf eine Art und Weise, die ihn ein wenig mulmig werden ließ.
„Er braucht ihre Schmerzen, ihre Schreie“, sagte sie dann. „Dieses Schwein braucht das, um abzuspritzen.“
Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Kabine 14
Samstag, 6. Januar, 13:30 Uhr
„Mir ist schlecht“, flüsterte Samantha und drückte ihre Fäustlinge gegen den Bauch.
Doris lief ein unangenehmes Kribbeln den Rücken hinab. Wenn ihre Tochter
flüsterte
, war in jedem Fall Sorge angebracht. „Magst du etwas trinken?“, erkundigte sie sich. „Ich habe Wasser im Rucksack.“
„Mir ist schlecht“, wiederholte Samantha bloß.
Doris zögerte. Die zunehmende Blässe im Gesicht ihrer Tochter war kein gutes Zeichen. Gewöhnlich hatte Samantha einen robusten Magen. Selbst der Verzehr von kiloweise Süßigkeiten konnte ihr nichts anhaben. Doch unter den gegebenen Umständen, der stetig zunehmenden Kälte und dem schwankenden Untergrund, war es nicht verwunderlich, wenn ihr Körper rebellierte.
„Wenn du willst, kannst du dich …“, begann Doris, unterließ aber eine Beendigung des Satzes, als sie registrierte, wie ihre Tochter zu würgen begann.
„Wir müssen zur Luke!“, rief Doris und schnellte von ihrem Sitzplatz.
Seilbahn GmbH Kitzbühel
Samstag, 6. Januar, 13:35 Uhr
„Jutta“, sagte Benjamin, an die Sekretärin gewandt. „Könntest du mir bitte die Nummer vom Krankenhaus in Kufstein heraussuchen?“
Die Angesprochene verzog blasiert das Gesicht, warf einen kommentarlosen Blick auf die Anschlagtafel neben ihrem Monitor und nannte dem Sicherheitschef die gewünschte Rufnummer.
Benjamin verzichtete auf die übliche Dankesrede und eilte in sein Büro. Wenigstens das Festnetz war vom Orkansturm nicht beeinträchtigt.
„Verbinden Sie mich mit der Unfallchirurgie“, sagte er, als sein Anruf entgegengenommen wurde.
Ein Knacken in der Leitung, dann ertönte eine gehetzt klingende Männerstimme. „Ja?“
„Guten Tag. Benjamin Lehnwieser von der Seilbahn GmbH Kitzbühel. Eine Mitarbeiterin von uns …“
„Ihr geht es den Umständen entsprechend“, sagte der Unbekannte. „Gehirnerschütterung, Fraktur des linken Oberschenkels, geprellte Rippen, zwei gebrochene Finger. Keine inneren Verletzungen und keine Lebensgefahr. Momentan befindet sie sich im künstlichen Tiefschlaf und wird in der nächsten Stunde operiert.“
„Könnten Sie mir …“
„Nein, kann ich nicht. Wissen Sie, zum Kuckuck, was hier los ist!? Wir haben ein Dutzend Akutfälle, die Hälfte davon mit lebensbedrohlichen Verletzungen. Rufen Sie in ein paar Stunden wieder an.“
Einen Augenblick später erklang das monotone Geräusch des Freizeichens.
Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Kabine 14
Samstag, 6. Januar, 13:40 Uhr
Der Geruch nach Erbrochenem war widerlich. Samantha hatte zwar den größten Teil, aber nicht ihren gesamten Mageninhalt durch die Bodenluke gespien. Einige helle Flecken im Umkreis belegten Samanthas mangelhafte Treffsicherheit. Teilweise waren die Überreste von Fruchtgummi zu erkennen. Kein besonders hübscher Anblick.
Emma lehnte gelassen auf ihrem Sitzplatz. Der Gestank war unangenehm, keine Frage, aber durch ihre Tätigkeit als Krankenschwester war sie
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