Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
will es nicht
.
Kitzbühel, Altstadt
Samstag, 6. Januar, 16:00 Uhr
„Inspektor Lichtenberger?“
Ein junger, österreichischer Beamter trat auf sie zu. Seine Kleidung war von einer zentimeterdicken Schneeschicht bedeckt, die zerbröselte und als wirbelnde Staubfäden vom Sturm vertragen wurde. Er trug eine fellbesetzte Haube mit Ohrenklappen, die eher in die wilde Tundra Russlands gepasst hätte als in einen kleinen österreichischen Schiort. Andererseits vermittelte die aktuelle Wetterlage sehr wohl das Gefühl, sich in Sibirien zu befinden.
„Ja, das bin ich“, erwiderte Bernhard und schüttelte dem Polizisten die Hand.
„Mein Name ist Arthur Loewen. Ich führe Sie zu meinem Kollegen. Er behält das Fahrzeug im Auge.“
„Sind verdächtige Personen aufgetaucht?“, fragte Anna.
Der Polizeibeamte musterte Bernhards Partnerin interessiert. Vermutlich gefiel ihm, was er sah. Anna hatte ihre langen dunklen Haare zu einem festen Pferdeschwanz zusammengebunden, wodurch ihre südländischen Gesichtszüge hervorragend zur Geltung kamen. Dazu trug sie eine eng geschnittene Winterjacke mit Kapuze. Obgleich sie ihrem äußeren Erscheinungsbild nach Bernhards Tochter kaum ähnelte, musste der Kommissar unversehens an sie denken. Auch seine Tochter hatte sich nie ein Blatt vor den Mund genommen, war dominant und selbstbewusst gewesen, trotz ihrer schweren Krankheit. Bernhard seufzte leise.
„Nein.“ Arthur schüttelte den Kopf. „Soviel ich weiß nicht.“
Sie stapften durch den knöcheltiefen Schnee, der bis zu den Schenkeln gereicht hätte, wäre der Gehsteig nicht unlängst freigeschaufelt worden. Der Asphalt unter der Schneedecke war rutschig, teilweise vereist. Sowohl Bernhard als auch Anna strauchelten etliche Male. Arthur hingegen bewegte sich auf der rutschigen Schneeauflage mit der Sicherheit eines Eiskunstläufers.
Nach wenigen Dutzend Schritten erreichten sie ihr Ziel. Ein unscheinbarer, kleiner Fünftürer parkte mit laufendem Motor am Straßenrand. Als sie sich näherten, öffnete sich die Fahrertür, und ein fülliger Mann mit Schnauzbart stieg aus. Wie auch Arthur war der Beamte in Zivil gekleidet.
„Griaß enk“, sagte der Unbekannte in ursprünglichster Tiroler Mundart und zog sich eine Mütze über die Stoppelglatze. „I hoaß Eduard Reimgeist.“
„Mein Name ist Bernhard Lichtenberger, und das ist meine Partnerin Anna Brentano. Sie überwachen das Fahrzeug?“
„Kunnt’n mia per Du sei?“, erkundigte sich Eduard und kratzte sich am Kinn. „Is oafocha.“
Bernhard benötigte einige Sekunden, bis er die Worte ins Hochdeutsche übersetzt hatte. „Natürlich, kein Problem“, entgegnete er und lächelte schwach. „Also, wo befindet sich das Fahrzeug?“
„Zwoa Stroßn weida. Arthur hot a Übawochungskamera montiert.“ Eduard deutete auf den Monitor des Tablet-PCs, der schräg oberhalb des Schaltknüppels in einer Haltevorrichtung steckte. Zu erkennen waren der Rand einer Straße, mehrere tief verschneite Fahrzeuge und eine Häuserfront.
„Setzen wir uns in den Wagen“, schlug Arthur vor. „Bei diesem Blizzard müssen wir uns nicht im Freien unterhalten.“
Bernhard klopfte den Schnee von seinem Mantel und rutschte auf den Beifahrersitz, während sich Anna und Arthur auf die Rückbank zwängten.
„Welcher Wagen ist es?“, erkundigte sich Anna.
„Der zweite von vorn“, sagte Arthur und deutete auf den Tablet-PC. „Dürfte zumindest seit den Vormittagsstunden hier stehen.“
Bernhard betrachtete die gut zwanzig Zentimeter dicke Schneehaube auf dem Dach des Fahrzeuges. Selbst bei genauer Betrachtung konnte man kaum Farbe und Marke ausmachen. „Wie habt ihr das Auto erkannt?“
Arthur grinste listig. „War purer Zufall“, sagte er. „Wir waren auf Streife, und uns ist der Wagen aufgefallen, weil er so weit in die Fahrbahn ragt. Bei der Kontrolle des Nummernschilds haben wir festgestellt, dass der Wagen zur Fahndung ausgeschrieben ist.“
„Gab es sonst irgendwelche Besonderheiten?“
„Nein. Das Fahrzeug ist abgeschlossen und offensichtlich leer, wobei die hinteren Fenster verspiegelt sind.“
„Keine Personen, die sich auffällig verhalten hätten?“
„Na“, meldete sich Eduard zu Wort. „Is’ koana hinganga.“
„Gut.“ Bernhard nickte. „Könntet ihr den Wagen weiter im Auge behalten und euch melden, sobald jemand verdächtig erscheint? Anna und ich werden uns in den umliegenden Gebäuden erkundigen, ob sich jemand an den Fahrer erinnern
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