Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
kann.“
„Moch’ ma“, antwortete Eduard, lehnte sich im Fahrerstuhl zurück und verschränkte die Arme.
„Hier“, sagte Arthur und reichte Bernhard und Anna je ein Handfunkgerät. „Das Handynetz ist ausgefallen.“
„Ernsthaft?“ Bernhard hatte sein Mobiltelefon seit ihrer Ankunft in Kitzbühel noch nicht in die Hand genommen. „Wird sicher bald wieder funktionieren.“
„Bei dem Wetter?“ Arthur schürzte die Lippen. „Da wäre ich mir nicht so sicher.“
Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Kabine 14
Samstag, 6. Januar, 16:05 Uhr
Das Licht schwand unglaublich rasch. Emma meinte zusehen zu können, wie die letzte Helligkeit davonstob wie ein aufgeschreckter Taubenschwarm. Die wirbelnden Schneeflocken büßten ihr strahlendes Weiß ein, verwandelten sich in graue, schemenhafte Kleckse und verschwammen zu einem wallenden Vorhang aus Schatten.
„Ich hoffe, niemand fürchtet sich im Dunkeln?“
Rüdigers Frage war wohl als Aufmunterung gemeint. Den Gesichtern der Anwesenden nach zu schließen, fand der Erheiterungsversuch keinen rechten Widerhall.
„Na ja“, meinte Sandra und senkte den Blick. „Also ich schon.“
„Hey, du Weichei“, sagte Michelle. „Du bist ja nicht allein, da frisst dich schon kein Ungeheuer.“ Ihre Stimme klang mehr tröstend als verletzend.
„Dafür habe ich keine Angst vor Spinnen.“
„Spinnen!?“ Michelle erschauderte und zog angewidert die Schultern zusammen. „Igitt! Ich hasse Spinnen!“
„Raphael, hast du nicht gemeint, du hast eine Taschenlampe dabei?“, erkundigte sich Sebastian.
„Ja, das ist richtig. Aber ich fürchte, viel länger als zwei, drei Stunden hält der Akku nicht durch.“ Raphael zog die Taschenlampe aus seinem Rucksack und schaltete sie ein. Wenngleich der grau mattierte Zylinder kaum länger als ein Finger war, spendete er ausreichend Licht, um die gesamte Kabine zu erhellen.
„Mit LED-Birne, oder?“, fragte Matteo.
„Ja“, bestätigte Raphael. „Laut Beschreibung schafft der Akku fünf Stunden bei voller Leuchtkraft. Allerdings habe ich die Batterien seit einem halben Jahr nicht mehr gewechselt.“
„Wir haben noch unsere Handys“, sagte Sonja und hielt ihr Mobiltelefon hoch. „Das Display ist hell genug. Mein Smartphone hat zusätzlich eine eingebaute Lampe.“
„Stimmt“, konstatierte Sebastian. „Daran habe ich gar nicht gedacht.“
Kaum zu glauben
, dachte Emma,
dass Handys mal zu was nütze sind
.
Seilbahn GmbH Kitzbühel, Büro des Betriebsleiters
Samstag, 6. Januar, 16:10 Uhr
Franz hörte, wie sich die Versammlung in der Eingangshalle aufzulösen begann. Die Sensationslust der Presse war gestillt. Wie die Geier waren sie herangeschwirrt, hatten sich um den verwundeten Löwen gesammelt, ihn mit gierigen Blicken bedacht. Aber noch war der Löwe nicht tot. Noch konnte er mit seinen Pranken Hiebe verteilen, mit seinen Zähnen Knochen brechen. Noch.
Franz legte die Qigongkugeln auf die Tischplatte zurück. Die gleichförmige Kreisbewegung und das Summen von
Hänschen klein
hatten seine Hände beruhigt. Sie zitterten nur noch ganz leicht.
Franz seufzte tief. Wenn das so weiterging, würde er seine Krankheit nicht mehr verbergen können. Der heutige Dauerstress, das Überschlagen der Ereignisse, der immense Druck, der auf ihm lastete – all das war beinahe mehr, als sein Körper verkraften konnte.
Und jetzt auch noch Stefanie.
Franz schloss für einen Moment die Augen, als eine Woge aus Melancholie und Unsicherheit gegen die Mauern seines Selbstvertrauens brandete. Weshalb war sie aufgetaucht? Ausgerechnet heute? Gut, sie war Reporterin, und der Mann an ihrer Seite hatte eine Kamera getragen. Vermutlich sollte sie über den Zwischenfall mit der Seilbahn berichten und war deshalb nach Kitzbühel gekommen. Aber war dies tatsächlich der einzige Grund? Könnte es nicht sein, dass mehr dahintersteckte? Dass sie den Auftrag als Vorwand genommen hatte, um … Ja, was eigentlich? Wollte sie ihm seinen begangenen Fehltritt vorwerfen? Jetzt, nach all der Zeit? Nur ein einziges Mal hatte er die Beherrschung verloren. Mit fatalen Folgen.
Eine innere Stimme sagte ihm, dass sie nicht fortgehen würde, ehe sie mit ihm gesprochen hatte. Genaugenommen konnte ihre Anwesenheit nur einem Zweck dienen: Sie wollte etwas von ihm. Was immer es war, was immer sie verlangte; er würde es ihr geben. Ohne zu zögern.
Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Kabine 14
Samstag, 6. Januar, 16:20 Uhr
„Hat jemand was zu trinken?“, krächzte
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