Käfersterben
meinst du damit?«, fragte sie. Ihre Stimme klang ihr selbst nun ruhiger, eine Oktave tiefer.
»Du hattest doch gestern mal angerufen«, sagte Britta. »Ich war zu Hause. Aber ich konnte nicht rangehen.«
»Sag’s mir gleich: Du warst mit Alban …?«
Britta schüttelte den Kopf.
»Nein. Mit einem ganz süßen, ganz jungen Typen. Ich habe ihn bei diesen Youngtimerfuzzis kennen gelernt. Er ist auch nicht zehn Jahre jünger, sondern nur sieben.«
»Personenbeschreibung?«
»Sehr schlank, ganz der holde Knabe. Eine Figur wie ein Balletttänzer. Lockenkopf, rotbraun. Allerliebst. Ein paar Sommersprossen von Wangenknochen zu Wangenknochen. Sehr charmant.«
Katinka schwieg. Sie kannte Brittas Prinzip. Es gab nur eine Situation, in der sie nicht ans Telefon ging. Wenn sie mit einem Mann im Bett war.
»Tut mir leid«, sagte Britta zerknirscht und massierte Katinkas Wirbelsäule entlang. »Ich wusste nicht, dass es dir wirklich dreckig ging. Als ich dann die Maschine abhörte, war es schon vier Uhr. Und ich musste schlafen. Ich hatte heute Morgen wieder bei den Youngtimern zu tun.«
»Und hast den Kerl wiedergesehen.«
»Nein. Heute war er nicht da. Er heißt York. Ulkig, oder?«
»Wenn er mal wirklich so heißt«, uzte Katinka. »Könnte ja sein, dass er ein Hochstapler, Heiratsschwindler oder so ist. Au!«
Britta bohrte ihre Fäuste tief in Katinkas Muskeln.
»Dir werd ich geben! Außerdem sind Heiratsschwindler mindestens siebzig und haben weiße Schläfen.« Sie trommelte mit den Handkanten im Staccato auf Katinkas Schulterblätter. Katinka entwand sich und stand auf. Sie goss den Kamillentee auf.
»Du hast recht. Und Hardo hat recht. Ich muss abschalten, alles vergessen. Manchmal fördert das Gehirn ja von selbst die richtige Lösung zutage, wenn man ihm nur genug Zeit gibt.«
»Hardo, aha«, machte Britta.
»Mach mich nur fertig.«
»Wenn du Ablenkung brauchst …«, begann Britta und beobachtete, wie Katinka den Teebeutel in der Tasse auf und ab schwappen ließ. »Könntest du für mich eine Sache erledigen?«
»Was denn?«
»Tja.« Verlegen drehte Britta sich zum Fenster und sah hinaus. »Es regnet wie aus Eimern. Also, unsere Chefs und Chefchefs sind ja nun der Meinung, dass ein Journalist nicht mit der Stechuhr arbeiten soll. Wir sind Tag und Nacht Reporter. Und jetzt haben sie mir einen Wochenendtermin reingedrückt.«
»Ich denke, da sind die Freien unterwegs?«
»Pah!«, sagte Britta nur. »Ein Freelancer hatte noch was gut bei mir.«
Katinka konnte sich ungefähr vorstellen, welche Art von Deal Britta meinte.
»Britta, ich kann nicht schreiben«, sagte sie und warf den Teebeutel in den Mülleimer.
»Du bräuchtest nur zu dem Termin zu gehen, das Programmheft einzusacken, aufzupassen, was passiert, drei O-Töne von einem Verantwortlichen einzufangen und mir das Zeug zu übergeben. Ich mache dann den Artikel«, erläuterte Britta, den Blick auf die über das Fenster fließenden Sturzbäche aus Regentropfen gerichtet.
Katinka blies in ihren Tee. »Was ist denn das für ein Termin?«
»Einer, der dich garantiert interessiert. Die Youngtimer machen morgen eine Miss-Wahl. Der hübscheste, most sexy Youngtimer. So was Saublödes.«
»Schau mir in die Augen«, grinste Katinka. »Du hast morgen eine Verabredung?«
Britta drehte sich um.
»Tatsächlich. Und die lasse ich mir nicht von Chef und Chefchef kaputtmachen. Alban ist mit Kumpanen vom Volleyball auf einer Trainingseinheit in Norddeutschland. Ich habe auch ein Anrecht auf meine Freizeit. Vor allem bei meinem, mit Verlaub, beschissenen Gehalt.«
Katinka staunte. Britta war niemand, der sich beschwerte. Sie gehörte zu den Tatendurstigen, die in die Hände spuckten und Dinge veränderten.
»Du verdienst bestimmt mehr«, fügte Britta hinzu.
Katinka lachte. »Ja, wenn ich etwas verdiene, verdiene ich mehr als du. Aber es gibt Phasen, in denen ich nichts verdiene. Keine Kunden, keine Kohle.«
Britta winkte ab. »Ich trete in die Gewerkschaft ein. Dann wollen wir doch mal sehen, wo wir landen«, sagte sie und ballte kämpferisch die Faust. Aha, dachte Katinka.
Als Britta gegangen war, rief sie Toms Nummer an. Mailbox. Sie hinterließ eine Nachricht, dass er sie zu jeder Zeit zurückrufen könne, auch in der Nacht. Sie sah eine Dokumentation im Fernsehen und zappte sich dann durch die Programme. Als sie zu Bett ging, legte sie das Handy neben sich ins Bett. Es war 1 Uhr 12, Sonntag, der 13. Juni 2004.
6. Die Youngtimer
Sie schlief
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