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Käfersterben

Käfersterben

Titel: Käfersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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Samstag, der 12. Juni 2004.
     

5. Vermisst
    Katinka brauchte fünf volle Minuten, um wieder auf den Teppich zu kommen. Die Landschaft, erneut von der Sonne durchglänzt, verschwamm trotz Brille vor ihren Augen, und das Summen der abgebrochenen Verbindung dröhnte in ihrem Kopf. Ihr Magen wehrte sich gegen die süße Mischung aus Schokolade und Radler. Die Gedankensplitter trudelten vorbei wie Ameisen, verwirbelten und verquirlten jeden Versuch der Konzentration zu einem schmierigen Brei.
    »Essen Sie Ihre Bratwürste«, sagte Hardo. »Die werden kalt und unbekömmlich.«
    Katinka hatte keine Kapazitäten für den Gedanken an Essen frei. Danis Auto, dessen Fehlen sie beim Sommerhaus nicht sofort bemerkt hatte, die Szene, als sie Heppner die Pistole vor die Nase hielt, Hardos Blick auf die Skulptur, die Fenster aus Panzerglas, das Gauguin-Bild, die Stimme von Toms Vater, der Zettel mit der Bemerkung von einem Loch im Jahr. Sie schnappte nach Luft. Hardo spießte ein Stück Bratwurst auf und hielt ihr die Gabel hin. Sie nahm sie ihm ab und aß.
    »Was hat Ihre Freundin genau gesagt?«
    »Sie hat meinen Namen gerufen. Und dann ›hilf mir‹.«
    »Mehr nicht?«
    »Nein, mehr nicht.«
    »Was haben Sie im Hintergrund gehört?« Er spießte den nächsten Bissen auf die Gabel. Ungeduldig kaute Katinka die Wurst.
    »Lärm.«
    »Was für Lärm.«
    »Lärm eben«, rief sie entnervt. »Entschuldigen Sie. Ich bin … nervös.«
    Hardo gabelte Sauerkraut auf. Er wickelte es wie Spaghetti um die Gabel.
    »Sie wissen so gut wie ich, dass sich Lärm ganz unterschiedlich anhören kann. Lärm an sich gibt es gar nicht. Hätten Sie jetzt einen Zeugen vor sich, was würden Sie fragen?«
    »O.k. Zuerst war da ein Rauschen, als käme die Verbindung nicht richtig zustande. Dann ein Knacken.«
    »Befand Dani sich in einem geschlossenen Raum? Oder eher im Freien?«
    »In einem geschlossenen Raum nicht«, sagte Ka-tinka. »Allenfalls in einem sehr großen. Vielleicht in einem Bahnhof.«
    »Haben Sie Durchsagen gehört? Irgendwelche Stimmen?«
    Katinka strich sich das Haar hinter die Ohren. Da war eine Durchsage gewesen. Eine Durchsage … Sie hatte nicht verstehen können, was gesagt wurde, aber etwas war ihr bekannt vorgekommen. Unmöglich, es näher einzukreisen. Ihr Gedächtnis gab die Information nicht her.
    »Nein. Stimmengewirr. Sie war an einem Ort, wo viele Menschen zusammenkommen.«
    »Autos?«
    Katinka konzentrierte sich. Sie rührte im Sauerkraut herum.
    »Nein.«
    »Denken Sie in Ruhe nach.«
    Katinka schloss die Augen. Knetete ihre Unterlippe. Die Konzentration tat weh. Über ihren Augenbrauen pulste ein feiner Schmerz.
    »Nein. Keine Autos. Ich habe einen Brei aus Geräuschen gehört, Menschen, die hin und her laufen und reden.«
    Hardo schwieg.
    »Was mache ich jetzt?« Katinka riss die Augen auf. »Ich kann sie vermisst melden, oder?«
    »Wir können natürlich eine Vermisstenfahndung rausgeben. Noch wichtiger wäre allerdings ein Hinweis, wo sie stecken könnte.«
    »Sie hat um Hilfe gerufen!« Sie starrte auf die Reste auf ihrem Teller und schob ihn angeekelt weg. »Sie sind Polizist. Sie haben die Verpflichtung zu helfen!« Plötzlich wurde sie wütend.
    »Sie wissen doch genau, wie ernst wir Vermisstenmeldungen nehmen, Katinka.«
    Sie zuckte zusammen. Normalerweise nannte er sie beim Nachnamen. Wenn er ›Katinka‹ sagte, lag Ärger in der Luft.
    »Tut mir leid. Ich wollte nicht …«
    »Sie haben erst gestern mit Ihrer Freundin gesprochen. Hat sie etwas gesagt, das Ihnen einen Anhaltspunkt geben könnte, wo sie sich aufhält?«
    »Sie hatte gar nicht vor, abzuhauen. Sie war froh, in ihrem Häuschen vor Anker gegangen zu sein, um ihre Herbstausstellung vorzubereiten.«
    »Wo soll die stattfinden?«
    »In Straßburg.«
    »Kann sie da hingefahren sein?«
    »Ich weiß nicht. Es ergibt wenig Sinn. Ich frage mich, ob sie … mit ihrem eigenen Auto …«
    »Wir sehen zu, dass wir das Auto finden«, sagte Hardo. »Sie stammt aus Wien, oder? Meinen Sie, sie ist nach Österreich gefahren?«
    Katinka zuckte hilflos die Achseln.
    »Palfy, in dem ganzen Sommerhaus gab es nicht ein Anzeichen von Einbruch oder sonstiger Gewaltanwendung, keine Indizien für eine überstürzte Flucht.«
    Katinka fühlte sich mit einem Mal todmüde. Am liebsten würde sie sich auf der Bank ausstrecken, um eine Mütze Schlaf zu bekommen. Ihr war schlecht von der chaotischen Mischung in ihrem Magen.
    »Sie müssen erstmal den Kopf freikriegen«, sagte

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