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Käfersterben

Käfersterben

Titel: Käfersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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Digitalkameras, mehrere Drucker. Eine Stereoanlage und ein Fernseher nahmen die ganze Querseite des Raumes ein. Ein Regal war vom Boden bis zur Decke mit Videofilmen gefüllt, alle ordentlich nummeriert. Auf den Rücken der Boxen standen keine Titel. In einem anderen stapelten sich CDs.
    »Hier.« Booz startete einen der Laptops. Er öffnete ein Bildbearbeitungsprogramm und zeigte Katinka einige Fotos.
    »Installationen sind Ereignisse, die dem Betrachter ein Gefühl für die Endlichkeit geben. Die Endlichkeit der Kunst, aber auch des Lebens.«
    Katinka spürte, wie ein warmer Schauer über ihren Rücken rann. Sie rückte schnell ein Stück von Booz weg.
    »Der Betrachter wird im Idealfall ein Mitkünstler. Er integriert sich in das Geschehen. Wie hier.«
    Katinka starrte ungläubig auf das Bild. Riesengroße Schweine aus Pappmaschee bauten sich vor ihr auf. Booz war zu erkennen. Er beschmierte ein Drahtgestell mit einer grauen Masse. Auf dem nächsten Foto stand Jana in dem Gestell. Ein Mann, der augenscheinlich aus dem Publikum geholt worden war, schmierte die klebrige Masse darauf. Im Hintergrund war ein Riesenrad zu sehen. Dieses Riesenrad kannte Katinka, besser als alles andere in der Welt. Immer noch. Es war sowieso das b erühmteste seiner Art und stand auf dem Wiener Prater. Sie wollte etwas sagen, schwieg dann aber. Ihr Blick fiel auf ein Buch neben Booz’ Laptop. ›Fribourg und seine Künste‹ hieß der Titel. Booz fing ihren Blick auf und schob das Buch mit dem Ellenbogen zur Seite.
    »Das hier ist nun keine wirklich große Kunst, sondern eher die leichte Muse«, sagte er. Er klickte mit der Maus. Ein anderes Foto baute sich auf. Sie sah Felsen, an denen Gleitschirme zu kleben schienen. In den Geschirren hingen Leute.
    »Das sind…«
    »Keine lebendigen Menschen. Puppen. War ganz hier in der Nähe, unser Einstandsprojekt. Am Staffelberg. Den kennen Sie sicher.«
    Katinka nickte. Der Berg war ein beliebtes Ausflugsziel im Maintal und von Bamberg aus in weniger als einer halben Stunde zu erreichen. Er überragte das Tal mindestens um 200 Meter, und auf dem Plateau hoch oben bot sich dem Besucher ein herrlicher Blick ins Land. An seinen Seiten ragten karstige Felsen in den Himmel. Während sie auf das Bild starrte, war sie nicht ganz überzeugt, dass die Figuren in den Seilen der Gleitschirme wirklich Puppen waren. Sie sahen tot aus. Echt tot.
    Katinka wusste, dass es nicht sein konnte. Niemand würde Leichen in Gleitschirmen hängend an einer Felswand installieren. Aber plötzlich glaubte sie zu ahnen, was mit ›Happening‹ gemeint war.
    »Ein Raumkünstler dagegen lockt die Ewigkeit. Seine Räume teilen die Unendlichkeit Gottes. Der Mensch betritt sie und will sie nicht mehr verlassen. Er bleibt, wie in der Hand Gottes. Und fühlt sich glücklich.«
    Installation, dachte Katinka. Inszenierung. Riten. Booz rief mehrere Fotos auf den Bildschirm. Katinka spürte ihre Konzentration schwinden. Auf den Bildern war nicht viel zu sehen. Die Räume sahen für sie nur aus wie leere, bedrückende Säle. Sie wollte hier weg. Raus aus dem professionellen Büro, weg von Booz’ suggestiver Kraft. Raus in die Sonne.
    »Kann ich mich noch ein wenig umsehen?« Sie schlüpfte aus der Sweatjacke und legte sie über eine Stuhllehne. Gänsehaut kroch über ihre Arme.
    Booz fuhr den Rechner herunter.
    »Gerne. Allerdings kann ich Ihnen nicht alle Werkstätten zeigen. Manche Projekte sind … geheim.« Er lächelte.
    »Gibt es unter Künstlern so was wie Industriespionage?«, fragte Katinka lachend.
    »Aber ja!«, bestätigte Booz. Er berührte ihre Schultern, als er sie in den Hof begleitete. »Und nicht wenige sind daran zugrundegegangen, haben Suizid begangen oder andere um Ruhm, Reichtum und Leben gebracht. Wir sind ein aggressives Volk, Katinka Palfy. Ein wahrhaft aggressives Volk. Kannibalen. Wir fressen einander auf.«
    Im Westen war die Wolkendecke aufgerissen. Die Sonne bestrahlte den ganzen Hof, und Katinka atmete auf. Booz zeigte ihr ein paar der Ställe, doch sie musste ihm recht geben: Es gab nichts zu sehen, woraus man eine Story hätte machen können. Keine Kunstwerke, keine fertigen Objekte. Die Atmosphäre war ganz anders als bei Dani. Trotz der Schönheit und Harmonie des Gutshofes fühlte Katinka sich bedrückt.
    Irgendwo im Haus schellte ein Telefon.
    »Machen Sie’s gut, Katinka Palfy«, sagte Booz.
    Katinka sah ihm nach. Sie fror in ihrem feuchten T-Shirt. Als Booz verschwunden war, schüttelte sie

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