Käfersterben
war die Welt ein großes Monopoly-Spiel, in dem man nur oft genug über LOS ziehen musste, um auf der Gewinnerseite zu stehen.
»Sie eröffnet erst im Juli!«
»Ich dachte, das Ding steht schon.«
»Du weißt doch«, sagte Ignaz Palfy gedehnt. »Konzept, Vorbereitungen, Einrichtung … so schnell kann es nicht gehen.«
»Und Mama?«
»Wo deine Mutter steckt, weiß ich nicht. Wir haben uns das letzte Mal auf dem Rückflug von den Kanaren gesehen.«
»Hör mal, Papa«, begann Katinka. »Ich wollte mal deine Expertise in Sachen Kunst zurate ziehen.«
»Klärst du gerade einen Kunstraub auf?«
Er sagte es mit einem spöttischen Unterton, und Ka-tinka hätte aufgelegt, wenn sie nicht dringend etwas über Booz hätte in Erfahrung bringen wollen. Sie atmete tief durch und schob sich die Wärmflasche unter den Pulli.
»Sagt dir Arian Booz was?«
»Lass mich mal kurz nachdenken.«
»Gedächtnisstütze: Er macht ›Happenings‹. Auf dem Wiener Prater hat er Sparschweine aus Pappmaschee aufgebaut.«
»Ach, der.« Ignaz Palfy lachte. »Klar. Ein ziemlicher Spinner. Ich habe ihn nie ganz ernst genommen.«
»Wer ist dieser Booz und was macht er für Kunst?«
Katinka hörte, wie in Wien jemand eine Tür schloss. Ignaz Palfy hielt die Hand über den Hörer und murmelte etwas. Er hat Besuch, dachte Katinka.
»Arian Booz ist ein Idiotus Maximus. Tut harmlos, aber meines Erachtens hat er die Grenzen des guten Geschmacks schon lange hinter sich gelassen. Er ist jetzt 40 und macht seit seinen Zwanzigern Installationen. Ich erinnere mich noch genau an die Geschichte mit den Sparschweinen. Fand erst im April statt. Die Bank of Austria veranstaltete in der Stadt irgendwelche Informationstage, mit Ständen und so weiter. Booz baute eine Frau in ein Sparschwein ein, nur der Kopf guckte oben aus dem Schlitz raus. Er wollte zeigen, dass die Menschen durch Geiz, Knausrigkeit und Geldgier Gefangene werden. Sehr simpel gedacht. Die Frau harrte den ganzen Tag in dem Pappmascheeschwein aus. Es war ein ungewöhnlich warmer Tag. Am Abend musste die Feuerwehr sie aus dem Schwein befreien. Sie hatte einen Sonnenstich.«
Katinka wurde übel. Jana, die zarte Jana.
»Unappetitlich.«
»Das kannst du laut sagen. Booz ist dafür bekannt, dass er Tierkadaver in Eisblöcke einfriert und sie an stark frequentierten Plätzen aufstellt. Man hat ihm auch nachgesagt, er mache Abgüsse von Toten, um diese dann als Plastiken quasi wieder auferstehen zu lassen. Er wurde sogar mal wegen Leichenschändung angeklagt, aber nicht verurteilt. Das Verfahren wurde eingestellt. Böse Zungen behaupten, er hätte beste Kontakte in die Film- und Medienszene, zu entsprechenden Gesichtern, die auch im Justizministerium ein- und ausgehen. Journalisten, Typen vom Fernsehen. Deswegen haben seine Aktionen auch immer ein rauschendes Medienecho.«
»Kannst du mir mal ein paar mehr Informationen über diese Geschichte zukommen lassen?«
Ignaz Palfy hörte sich argwöhnisch an, als er sagte:
»Hast du mit Booz zu tun?«
»Komm, Papa. Du kennst doch überall Leute.«
Er seufzte.
»Na gut. Ich sehe, was zu machen ist.«
»Hast du eine Vorstellung davon, was Booz als nächstes plant?«
»Wie sollte ich! Mit Wahnsinnigen gebe ich mich normalerweise nicht ab.«
Wieder hielt er die Hand vor die Sprechmuschel und flüsterte.
»Hast du Besuch, Papa?«
»Und wenn es so wäre?«
»Ich habe ja nur gefragt.« Katinka wusste, dass ihr Vater seine Privatsphäre gerne verschleierte und damit kokettierte. Sie stellte ihn sich vor, den schütteren Haarwuchs, das braungebrannte Gesicht, und wie er die verbliebenen Haare im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammennahm, der aussah wie ein Ziegenbärtchen. Seine Anziehungskraft auf Frauen, zumal auf sehr viel jüngere, war legendär und einer der Gründe, warum Katinkas Mutter sich von ihm getrennt hatte. Zumindest formell. Denn dass die beiden von Zeit zu Zeit wieder gemeinsame Wege gingen, war Stadtgespräch beim Wiener Jetset.
»Sag mal, der Name Jana Dorell, sagt dir der was?«, fragte Katinka.
»Jana Dorell? Nie gehört.«
»Sie ist die Frau, die im Sparschwein steckte.«
»Woher weißt du das jetzt wieder?«
Katinka lachte: »Ich bin Privatdetektivin.«
»Mädel, hör zu: Bist du mit Booz im Geschäft? Dann sei vorsichtig. Er ist ein charmanter Kerl, aber er hat den Charakter einer Kanalratte«, warnte Ignaz Palfy.
»Was für einen Charakter haben Kanalratten?«
Er stöhnte.
»Du bist unmöglich. Also bist du Booz
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