Käfersterben
Eigentlich seltsam, dachte Katinka. Es muss doch gerade das Faszinierende an diesen weltweiten Ausstellungen sein, dass man Leute kennen lernt. Sie selbst an Danis Stelle hätte wenigstens dafür gesorgt, erreichbar zu bleiben.
Erst, als ihr ganzer Körper krebsrot war, stellte Ka-tinka das Wasser ab und rieb sich trocken. Als sie vor einer Tasse dampfenden Kaffees saß, fühlte sie sich endlich halbwegs lebendig. Sie versuchte erneut die Berliner Nummer, aber der gleiche freudlose Automat wie am Tag zuvor repetierte die Geschäftszeiten. Sie war eindeutig zu früh dran.
Ein dritter ermordeter Käfer. Der Schönleinsplatz war eine belebte Ecke, auch nachts herrschte dort beständig Verkehr. Wie konnte jemand einen Käfer in den Brunnen bugsieren, mit einem Schwert durchbohren und abhauen, ohne bemerkt zu werden?
Sie notierte sich das Kennzeichen auf einem Schmierzettel.
Während sie mehr Kaffee trank, versuchte sie sich plastisch vorzustellen, wie der Täter ein derart langes und wahrscheinlich schweres Schwert in ein Dach bohrte. Er musste auf das Dach klettern und mit aller Kraft zustoßen. Bei einem Cabrio mochte es leicht gehen. Aber ein Dach aus Blech zu durchbohren … Katinka nahm an, dass das Schwert Gefahr lief, abzurutschen und den Täter zu verletzen. Womöglich hatte er mit einem anderen Werkzeug vorgebohrt.
Käfer. Kadaver. Tot aussehende Puppen in Gleitschirmen.
Zerstörung als Kunst ausgegeben.
Sie nahm die Brille ab und rieb sich die Augen.
Booz hatte ihr nicht alle Stallungen gezeigt. Manches sei geheim. Geheime Kunstprojekte.
Sie seufzte. Der Kunstaspekt war nur die eine Sache. Es kam noch Diebstahl hinzu. Die beiden ersten Käfer jedenfalls waren gestohlen. Katinka mochte sich nicht recht an den Gedanken gewöhnen, dass Booz durch die Gegend zog und Autos knackte. Also brauchte er zumindest dazu einen Partner. Kam Jana in Frage? Blieb offen, wie er die Käfer an Ort und Stelle brachte, und vor allem, wie dieser dritte VW in den Brunnen gesetzt werden konnte. Katinka musste unbedingt in Erfahrung bringen, wie lange die Wagen schon als gestohlen gemeldet waren, bevor sie mit einem Schwert im Dach wieder auftauchten.
Katinka machte sich eine Liste. Der erste Käfer hatte kein Bamberger Kennzeichen. Ein Student, der in Bamberg auf der Fahrt in den Süden Station gemacht hatte, war der Eigentümer.
Der zweite Käfer. Um dessen Halter hatte sie sich nicht mehr gekümmert. Sie machte sich eine Notiz.
Hardo hatte ihr einen Namen genannt. Sie wollte schon zum Telefon greifen, als sie beschloss, den Kontakt für Notfälle zu sparen und es zunächst bei der Polizei zu versuchen.
In dem Moment klingelte ihr Handy.
»Palfy?«
»Sie haben es vermutlich schon gehört.«
Katinka lachte.
»Morgen, Hardo. Ich habe es sogar schon gesehen.«
»Dann haben Sie mir etwas voraus.«
»Ich wollte Sie gerade anrufen«, log Katinka. »Die Zusammenarbeit mit Ihrer Kollegin Winkler ist nicht die einfachste.«
Er lachte trocken.
»Sie ist eben durch und durch Beamtin. Haben Sie etwas von Ihrer Freundin gehört?«
Katinka zuckte zusammen.
»Nein.« Sie dachte an Booz und seine Stallungen. Stellte sich Danis Leiche vor, wie sie in einem der leeren Gebäude lag, bis Booz eine Gelegenheit auftat, sie in einer Installation zu verwenden. Katinka hatte das stürmische Bedürfnis, Hardo von ihrem Besuch in Holzhof und dem Telefonat mit ihrem Vater zu berichten. Aber etwas ließ sie zögern: die Erfahrung, dass Hardo ihr gerne die Fälle vor der Nase wegschnappte.
»Wollten Sie mir etwas sagen, Palfy?«, fragte Hardo.
Wie er es nur immer merkt, dachte Katinka.
»Ich … bin ziemlich durcheinander. Haben Sie den gelben Beetle weitergereicht?«
»Dauert noch. Gelbe Spielzeugautos haben momentan keine Priorität. Man tut mir lediglich einen privaten Gefallen.«
»Aha.«
»Zwei Kollegen haben nochmal Danis Grundstück abgegrast. Nichts, absolut nichts.«
»Das habe ich befürchtet«, seufzte Katinka.
»Dafür haben wir ihr Auto ermittelt. Sie werden lachen: Sie fährt einen New Beetle, ein Cabrio. Bloß wo dieser Wagen steht, wissen wir noch nicht.«
Katinka dachte an Georg Krüppmann, den Autohausbesitzer, den sie bei den Youngtimern getroffen hatte. Wie er damit geprahlt hatte, erst vor kurzem einer jungen Dame einen neuen Käfer verkauft zu haben.
»Danke«, sagte sie zu Hardo. »Immerhin ein kleiner Schritt.«
»Melden Sie sich, wenn Sie mich brauchen.«
Er hatte schon längst aufgelegt, als Katinka
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