Käfersterben
die Käfer davonfuhren?«
»Autodiebstähle sind sehr einfach«, gab Sabine Kerschensteiner zurück. »Ich kriege jeden Wagen auf, zumindest die älteren. Bei den neueren ist es nicht mehr so einfach wegen der ganzen Elektronik. Und mit einem Cabrio macht es ohnehin keine Schwierigkeiten.«
»Eine Polizistin, die Autos knackt?«, fragte Katinka lachend.
»Fragen Sie nicht zuviel. Natürlich. Wir müssen doch das Handwerk der Gegenseite kennen!«
»Danke für die Infos.«
»Gern geschehen. Bis bald mal.«
Sabine Kerschensteiner legte auf. Katinka dachte darüber nach, dass sie bald lernen müsste, Autos aufzubrechen und kurzzuschließen. Sie wollte der Jungpolizistin in nichts nachstehen.
Mittags kam die Sonne durch, aber es fegte ein kalter Wind über die Stadt hinweg, verfing sich zwischen den Häusern und saugte wie ein gigantischer Exhaustor Schmutz und Staub durch die Straßen. Britta wartete schon im Cador auf Katinka.
»Scheißkälte«, beschwerte sich Britta. »Und ich armer Wurm kriege nicht mal einen Sommerurlaub.«
»Weshalb nicht?«
Britta winkte ab.
»Interna.«
»Britta, wir müssen unbedingt über York reden.«
»Über York?« Die Tomate purzelte von Brittas Gabel und landete in der Vinaigrette. Die Spritzer benetzten ihren Regenmantel. »Wieso über York?«
»Er heißt York Schlingenberg, richtig?«
»Wird das ein Verhör?«
»Nein. Aber du musst mir helfen. Ich bin da auf eine eigenartige Sache gestoßen. Auf eine Künstlerkolonie, die sich in Holzhof in einem wunderschönen alten Gutshof verschanzt. York gehört dazu.«
Britta seufzte: »Das ist aber eine private Angelegenheit.«
»Wir reden doch sonst immer über Privates«, meinte Katinka grinsend.
»Aber jetzt hast du die Platte mit dem Businesston auf dem Teller«, entgegnete Britta.
Katinka stöhnte. Mit Britta war schwer zu verhandeln. Informationen gab sie selten ohne Gegenleistung preis. Deswegen hatte Katinka nach einigem Hin und Her beschlossen, von ihrem Ausflug nach Holzhof zu erzählen. Sie vertraute Britta, und es war leichter, mit der Wahrheit herauszurücken und dafür Brittas persönlichen Nachrichtendienst anzuzapfen, als sich zu winden und an allen Ecken und Enden zu mogeln.
»Am Sonntag war ich nach den Youngtimern zufällig in Holzhof. Da verschanzt sich eine Künstlerclique, ihr Häuptling heißt Arian Booz. Mein Vater kennt ihn. Booz ist seiner Meinung nach ein Sadist, dessen Kunstaktionen die Grenzen des guten Geschmacks sprengen und Gewalt verherrlichen. York ist neben der Verlobten von Booz, einer gewissen Jana Dorell, der Dritte im Bunde. Booz bezeichnet ihn als Raumkünstler.« Sie erklärte, wie die Künstlerclique aus Holzhof mit den Käfermorden zusammenhängen könnte.
Britta schwieg.
»Komm schon, Britta. Du hast den Sonntag mit ihm verbracht, oder? Am Freitagabend warst du auch mit ihm zusammen. Erzähle mir was von ihm. Ich will nicht wissen, wie er im Bett war.«
»Was willst du denn dann wissen?« Britta sah immer noch blass aus, fiel Katinka auf. Übermüdet, angespannt und lustlos. Wie ich selbst, überlegte Ka-tinka. Sie stocherte in ihrem Salat herum. Die Oliven schmeckten sauer. Was wahrscheinlich nicht an den Oliven liegt, dachte sie selbstkritisch. Sondern an mir.
»Der Freitagabend war genial«, sagte Britta. »Ich verstand mich am Anfang super mit York. Du findest das vielleicht verwerflich, aber ich habe meine sexuellen Bedürfnisse, und Alban … kann nicht mit allen Punkten so gut umgehen.«
»Ich finde überhaupt nichts verwerflich«, murrte Katinka. »Das weißt du genau. Ich bin nur … weniger auf Abwechslung bedacht.«
Britta warf ihr einen vernichtenden Blick zu.
»Am Sonntag tauchte York gegen zehn auf. Wir frühstückten bei mir. Alles bestens. Dann ergab es sich … also, wir landeten im Bett. Und plötzlich zückte der Scheißkerl eine Kamera und filmte mich. Ich raste auf ihn zu und wollte ihm das Teil abluchsen, dachte zuerst, das wäre ein Spaß. Bis dieser Kacker durchblicken ließ, dass er die Filme für ein Raumkunstprojekt verwenden will. Katinka!« Britta beugte sich vor. »Er reißt Frauen auf. Jede Menge Frauen. Er filmt sie, gegen ihren Willen. Und vermanscht die Filme zu irgendeiner idiotischen Bildpräsentation.«
Katinka blieb der Mund offen stehen.
»Er sieht aus wie Adonis persönlich. Er sucht sich Frauen über siebzig, dicke Frauen, magersüchtige Frauen, behinderte Frauen. Sein Interesse gilt nur diesem perversen Projekt. Ich glaube, jetzt
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