Käfersterben
kannst du dir um die Stirn spannen«, sagte sie. »Nur leuchten, wenn es nicht anders geht. Ich habe meine Pistole dabei. Handys auf Vibrieralarm, Tas-tentöne aus.«
Britta nickte und klimperte auf ihrem Mobiltelefon herum.
»Zweimal vibrieren lassen heißt: was Interessantes gefunden. Einmal: sofort kommen. Merkst du dir das?«
Britta repetierte. Sie war nervös. Ihre Hände zitterten so sehr, dass sie das Handy auf die Fußmatte fallen ließ.
»Bleiben wir nicht zusammen?«, wollte sie wissen.
»Doch. Aber es könnte sich ergeben, dass wir uns trennen. Wir checken zunächst mal, ob noch Leute wach sind. Halte dich immer hinter mir. Anschließend mischen wir das Büro auf. Installationen sind vergängliche Kunst. Fotos und Filme sind ihre einzige Möglichkeit, ihre sogenannten Werke bestehen zu lassen. Wir werden was finden, verlass dich drauf. Hier sind Handschuhe. Streife sie am besten gleich über.«
Brittas Hände flatterten. Sie brauchte mehrere Anläufe, um in die Latexhandschuhe zu schlüpfen.
»Ich packe das nicht, Katinka«, jammerte sie.
»Aber sicher doch.« Katinka kam sich ganz groß vor. »Ich habe Erfahrung in diesen Dingen. Wenn wir mit dem Büro fertig sind, schleichst du zum Auto zurück und machst dich auf dem Fahrersitz bereit.«
»Und du?« Katinka konnte hören, dass Britta mit den Zähnen klapperte.
»Brittachen!« Sie drückte die Schulter ihrer Freundin. »Komm. Die Sache wäre ein prima Erfolg für dich. Wir finden Material für die Story.«
»Aber was willst du eigentlich hier?«, fragte Britta.
Katinka starrte sie an.
»Was schon. Die Filme finden, die York von dir gemacht hat.«
»Aber du hast noch was anderes vor, oder?«
Katinka schoss die Röte ins Gesicht.
»Während du zum Auto zurückgehst und dich abfahrbereit machst, sehe ich mich in den Stallungen um, die Booz mir nicht gezeigt hat. Es könnte sein, dass ich Schwerter finde. Oder irgendwas anderes. Britta, vielleicht steckt wirklich Booz hinter diesen Käfermorden. Das wäre auch ein Erfolg für mich. Die riesen Sache!«
Britta nickte: »Aber was machen wir, wenn wir in dem Büro die Filme nicht entdecken?«
»Dann müssen wir uns überlegen, wo sie sonst stecken könnten. So ein Film braucht doch eine Menge Speicherplatz. Du hast gesagt, York hat viele gemacht. Wir müssen uns nach anderen Speichermedien umschauen, nach ZIPs, Speicherstiften, was weiß ich. Externen Festplatten.«
»Du willst die ganzen Gebäude absuchen?«
»Soweit es geht. Bist du bereit?« Katinka schlüpfte in ihre Handschuhe.
Britta atmete tief durch, dann nickte sie.
Sie stiegen aus. Es nieselte leicht, und ein steter Wind blies die feuchte Luft in ihre Gesichter.
»Umso besser«, sagte Katinka. »Dann hat keiner Lust, im Freien herumzuschwirren.«
Sie tasteten sich den Weg bis zum Gutshof vor. Die hohen Grashalme rechts und links an den Rainen wiegten sich leicht im Wind. Sie hörten das Leben in den Feldern neben ihnen: Rascheln, Glucksen, Fiepen. Katinka bedeutete Britta, sich im Schatten zu halten und umrundete einmal das Wohngebäude. An der dem Hof abgewandten Seite entdeckte sie eine schmale Tür. Hinterausgang, vermerkte sie in ihrem Kopf. Im oberen Stockwerk war ein einziges Fenster beleuchtet. Sie nahm an, dass es sich um ein Schlafzimmer handelte. Jana, Booz oder York, dachte Katinka. Alle anderen Fenster waren dunkel.
»Sieht gut aus«, wisperte Katinka, als sie zu Britta zurückkam. »Ich sehe mich noch bei den Stallgebäuden um. Warte.«
Sie tappte durch die Schatten. Mit einem Blick sah sie, dass der Geländewagen fehlte. Der Teich lag schwarzgrau vor ihr. Die Entengrütze war in der Mitte aufgerissen. Die Atmosphäre hätte etwas Romantisches an sich gehabt, wenn diese Mission nicht schlimm an Katinkas Nerven gezerrt hätte. Die Gelassenheit, die sie Britta gegenüber zur Schau stellte, war zu 90 Prozent gespielt. Aber die Rolle der coolen, die Gefahr gewohnten Detektivin beruhigte sie selbst auf geheimnisvolle Weise.
Katinka passierte den Teich, als rechts neben ihr etwas Lautes aus dem Gebüsch brach. Sie warf sich zur Seite und wartete. Atmete ein, atmete aus. Nichts. Eine Ente, die mit den Flügeln schlug.
Sie richtete sich auf. Ihre Kleider waren nass vom Niesel im Gras. Ich brauche professionellere Sachen für diese Operationen, dachte sie. Sie stand vor dem Stall, aus dem Jana sie weggejagt hatte. Der ehemalige Pferdestall. Sie probierte die Tür. Verschlossen. Sie lauschte lange und angestrengt. Nichts.
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