Käfersterben
eigenen Kram, ohne sich um den anderen zu kümmern? Katinka und Britta hatten die Festplatte. Aber Katinka wusste noch nichts über Dani.
Katinka blickte zu Britta, die am Fenster stand und die Lamellen der Rollläden mit ihrem Blick durchbohrte. Sie gab ihr die Tüte mit der Festplatte.
»Sieh zu, dass du zum Auto kommst und klemm dich hinters Steuer«, flüsterte Katinka. »Ich will wissen, wofür Booz sich mitten in der Nacht interessiert. Dann komme ich sofort nach.«
Hastig verließen sie das Büro. Sie hatten es eilig. Überhörten beinahe das leise, tapsige Geräusch draußen. Als ein Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde, war es fast schon zu spät.
Katinka dirigierte Britta durch den Gang Richtung Hintertür. Die Haustür ging auf. Jemand tastete ungeschickt nach dem Lichtschalter.
»Hier rein!«, hauchte Britta. Sie stieß eine niedrige Seitentür auf. Katinka drängte Britta hinein. Eine enge Treppe führte in einen Keller. Britta wäre beinahe hinuntergestürzt und konnte sich gerade noch am Geländer festhalten. Sie schlossen die Tür und warteten mit angehaltenem Atem. Katinka sah grüne und rote Funken vor ihrem Gesicht. Ansonsten war alles nachtschwarz.
Jemand torkelte an der Kellertür vorbei, unverkennbar betrunken. Sie hörten die unregelmäßigen Schritte und abgehacktes Gemurmel.
Plötzlich tönte Booz’ Stimme:
»Ach du dicke Kanone, York! Was treibst du eigentlich!«, sagte er.
Jemand machte Licht. Katinka sah den schmalen hellen Streifen zwischen Schwelle und Tür.
»Ave, Booz, unser Künstler und Held!«, lallte eine andere Stimme.
Katinka erschrak fast zu Tode, als Britta sich ganz nah zu ihr beugte, und mit den Lippen an ihrem Ohr flüsterte: »Das ist er!«
»Säufst du jeden Tag und jede Nacht?«, fragte Booz genervt.
»Mal wieder auf dem Kindermädchentrip?«, gab York zurück.
»Mir ist egal, was du tust, solange dein Interesse an unserem Projekt nicht darunter leidet«, sagte Booz. Oberlehrer, dachte Katinka. »Aber mittlerweile habe ich den Eindruck, du gehst nur noch deinen eigenen Plänen nach.«
»Ach, komm schon! Wir haben mehr als genug Zeit.«
»Andere hätten was darum gegeben, hier aufgenommen zu werden«, sagte Booz eisig. »Ich habe etliche gute Leute abgewiesen. Ich habe auf dich gesetzt.«
»Und jetzt ist es zu spät, noch zu wechseln, stimmt’s?«, kam es hämisch von York. »Au!« Er jaulte wie ein getretener Hund.
»Ich sage dir nur eins. Wenn unser Projekt scheitert, weil du Murks baust, oder wenn wir nicht rechtzeitig fertig werden und uns die Kohle durch die Lappen geht, dann schleife ich dir die Eier.«
»Lass mich los!«
Es polterte.
Katinka und Britta hielten sich aneinander fest. Schritte näherten sich. Booz probierte die Hintertür.
»Nicht mal abgesperrt hast du«, murrte er. »Uns wird noch mal jemand die Bude ausräumen.«
Katinka stellte sich vor, wie sich York auf die Füße mühte, nachdem Booz ihm einen Vorgeschmack auf seine fürchterliche Rache präsentiert hatte. Ein Schlüssel drehte sich. Booz ging wieder an der Kellertür vorbei. Sie hörten ihn auf der Treppe nach oben. Das Licht verlosch. Es konnte nur Minuten gedauert haben, bis York sich endgültig aufrappelte. Katinka kam es wie Stunden vor. Sie lauschte seinen schwankenden Schritten und lallenden Kommentaren, als er sich seinerseits die Treppen hinaufkämpfte.
»Raus«, zischte sie Britta zu.
Sie öffnete die Kellertür und machte sich schon am Schloss zu schaffen. Es sprang sofort auf.
»Immer am Haus bleiben«, wisperte sie Britta zu. Es hatte heftig zu regnen begonnen. Sie rannten durch das nasse Gras. Katinka rutschte, fing sich gerade noch. Ein schneidender Schmerz fuhr durch ihren Rücken. An der Querseite des Hauses sah Katinka sich kurz um. Niemand war draußen.
»Los!«, kommandierte sie. Sie jagten wie die Hasen den Weg entlang in die Nacht hinaus. Es war 2 Uhr 58, Dienstag, der 15. Juni 2004.
11. Festplatten und Faxe
»Nie, nie wieder mache ich sowas!«, sagte Britta im Brustton der Überzeugung. Sie saßen in Katinkas Küche und tranken Tee. Die Uhr zeigte halb vier am Morgen. Britta war immer noch kalkweiß im Gesicht. »Hast du einen Schnaps? Morgen melde ich mich krank, das weiß ich jetzt schon.«
Katinka fand eine angebrochene Flasche Grappa und schenkte Britta ein Glas voll. Sie stürzte es in einem Zug hinunter.
»Wir haben die Festplatte!«, sagte Katinka stolz. »Wir checken, was drauf ist. Du kriegst die Filme. Vielleicht finden wir
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