Käfersterben
er nicht der Täter ist, dann schützt er jemanden.«
»Was ist mit Jana und York?«
»Jana Dorell hat kein Alibi. Das von York Schlingenberg ist noch fragwürdig. Schlingenberg will in Bamberg gewesen sein, unterwegs von Kneipe zu Kneipe. Wir überprüfen das. Jana hat den ganzen Abend bis in die Nacht hinein an ihren Kunstwerken gearbeitet. Sagt sie. Und sonst gibt es niemanden, der als Verdächtiger in Frage käme. Außer Ihnen übrigens.«
Katinka wischte sich das Haar aus der Stirn. Sie musste mit York sprechen. Im Hintergrund hörte sie einen anderen Apparat klingeln. Hardo ignorierte ihn.
»Auf den Spielzeugautos haben wir keine Fingerabdrücke gefunden«, machte er weiter. »Aber Kerschensteiner hatte noch gestern Nacht die zündende Idee. Sie nahm an, dass der Täter den Käfer erst kurz bevor er ihn bei Ihnen abgelegt hat, gekauft haben könnte. Der Gedankengang geht so: Der Täter hat Sie beobachtet, als Sie zu dem Treffen mit Dani kamen. Er wusste zunächst nichts davon, dass noch eine zweite Person dasein würde. Um Ihnen zu drohen, brauchte er – seinen Sitten und Gebräuchen folgend – ein weiteres Spielzeugauto.«
»Aber da war Dani schon tot«, sagte Katinka und schluckte.
»Könnte es sein, dass jemand von Ihrer Verabredung wusste?«
»Keine Ahnung«, seufzte Katinka. »Ich habe nur das Fax, das ich Ihnen gezeigt habe.«
Hardos Stimme klang sorgenvoll, als er antwortete: »Dani mag noch auf dem Staffelberg von Ihnen erzählt haben. Sie merkte, was ihr zustoßen würde, und versuchte bei ihrem Mörder zu punkten, indem sie davon sprach, dass noch jemand käme, der ihr helfen könnte.«
»Aber … das ist grauenhaft«, sagte Katinka leise. Plötzlicher, tobender Hass machte sich bemerkbar. Ohnmächtig dachte sie daran, dass sie nichts mehr ungeschehen machen konnte.
»Da sagen Sie etwas Wahres«, sagte Hardo. »Also, wie gesagt musste der Täter, um Ihnen drohen zu können, erst noch ein Spielzeugauto kaufen. In der Nacht kommen dafür nur die Tankstellen in Frage. Kerschensteiner hat alle zwischen Bad Staffelstein und Bamberg
abtelefoniert. Bei Jet in der Memmelsdorfer Straße schließlich wurde sie fündig.«
»Und? Sagen Sie schon.«
»Eine Frau hat das Matchboxauto gekauft«, berichtete Hardo. »Sie trug eine Sonnenbrille, Kopftuch und eine Art Kaftan. Die Studentin, die nachts in der Tankstelle jobbt, fragte sich, ob sie eine Muslimin vor sich hatte.«
»Sprach die Frau Deutsch?«
»Sie sagte kein Wort, nahm das Auto aus dem Regal, reichte das Geld rüber und ging. Sie kam zu Fuß. Die Kasse registrierte ihren Einkauf um 21 Uhr 47.«
»Mist«, sagte Katinka und versank in konfusen Gedankengängen. Die Zeugin hatte einen Wagen vor Ka-tinkas Haustür gesehen, um kurz vor 22 Uhr. Könnte hinkommen.
»Die Frau kann die Ehefrau, Mutter, Schwiegertochter des Täters sein«, sagte Hardo.
»Oder die Täterin selber«, gab Katinka zu bedenken. »Sie muss nicht einmal eine Muslimin gewesen sein. Die Verkleidung ist ja ganz prima, selbst für westliche Frauen, die nicht erkannt werden wollen. Man verbirgt sich und lenkt den Verdacht gleich auf eine andere Gruppe.«
»Es wäre sehr unvorsichtig, als Mörderin selbst den Spielzeug-VW kaufen zu gehen. Wer nur den Hauch einer Ahnung von Ermittlungstechniken hat, wüsste, dass wir den Anschluss über dieses Matchboxauto suchen.«
»Jetzt suchen Sie nach Geschäften, die den gelben Beetle verkauft haben können, richtig?«
»Genau. Und nach einer Kundin im Islamlook.«
»Hardo, das klingt mir ziemlich nach politisch nicht korrekt«, mahnte Katinka ihn lächelnd.
»War nur unter uns. Ich habe nichts gegen religiöse Menschen. Auch nichts gegen Agnostiker. Hat Dani Verwandte, die wir benachrichtigen sollten?«
»Nein. Ich habe Jana schon gefragt. Einen Onkel in Kanada, aber der ist mit der Familie zerstritten und niemand kennt seine genaue Adresse.« Katinka wartete einen Augenblick ab, bevor sie fragte: »Wie hat Jana eigentlich reagiert?«
»Schockiert. Sie erzählte die Geschichte, die ich von Ihnen schon kannte. Die Beziehung zu Livio Zanini und dem Zusammenhalt der drei untereinander. Sie kann sich nicht vorstellen, wer Dani umgebracht haben könnte.«
Katinka schluckte, sagte aber nichts.
»Verkraften Sie den Befund des Rechtsmediziners?«, fragte Hardo.
»Ja«, antwortete Katinka knapp. Sie war ihm dankbar, dass sie nicht selbst nachfragen musste.
»Als wir ihre Leiche bargen, war Dani vermutlich gut zwei Stunden tot. Das deckt
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