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Käfersterben

Käfersterben

Titel: Käfersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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im Sommerhaus herumschnüffeln, dann seien Sie wenigstens vorsichtig.«
    Katinka nahm das Handy vom Ohr und starrte darauf, als erwarte sie ein Kameraauge zu entdecken, durch das Hardo sie beobachtete.
    »Wie …«
    »Glauben Sie, ich habe nicht bemerkt, dass Sie den Schlüssel haben mitgehen lassen?«, fragte er mit einem Lachen.
    Katinka blieb die Luft weg.
    »Das habe ich tatsächlich geglaubt. Dass Sie es nicht bemerkt haben«, sagte sie schließlich.
    »Sie sind also da?«
    »Ja«, sagte Katinka und fügte schnell hinzu: »Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Es gibt ja eine Sicherheitstür.« Ihr fiel ein, dass sie wegen des schönen Wetters eben jene Sicherheitstür sperrangelweit offen gelassen hatte.
    »Naiv sind Sie gar nicht«, sagte Hardo.
    »Was unternehmen Sie jetzt wegen meinem Vater?«
    »Halten Sie es für möglich, dass er zu Ihnen kommt?«
    »Nach Bamberg?«, fragte Katinka entgeistert. »Aber was sollte er hier?«
    »Keine Ahnung. Sie rufen mich zwischen 18 und 19 Uhr an, damit ich weiß, ob sie noch leben. Ich versuche es mal mit Ungarn.«
    Er unterbrach die Verbindung und ließ Katinka in einem Cocktail aus Ungläubigkeit, Kraftlosigkeit und Erregung zurück. Sie steckte ihr Handy weg und wandte sich dem Papierhaufen zu.
    Kränkliches Surrogat , lautete die Schlagzeile. Gwendolyn Steins Ausstellung gefloppt . Katinka überflog den Artikel und verdrehte die Augen über den gekünstelten Stil. Eine Bildhauerin wurde in Grund und Boden kritisiert. Gwendolyn Stein, vielleicht ihr Künstlername, dachte Katinka und griff nach einem anderen Artikel. Wieder Gwendolyn Stein. Überrascht überflog Katinka die restlichen Blätter. Immer ging es um diese Gwendolyn. Sie setzte sich auf den Boden und schob die Brille ins Haar. Ihre Augen brannten von dem spärlichen Licht ihrer Taschenlampe. Sie sollte diese Unterlagen nach oben bringen. Fröstelnd zog sie die Schultern hoch. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Ein zweiter hängte sich an. Sie dachte an Danis Ausstellungsmotto. Ging ein paar der Kritiken durch. Verglich mit den Internetausdrucken. Rief sich Danis Erklärungen vom vergangenen Freitag ins Gedächtnis. Zum ersten Mal seit Danis Verschwinden fand sich ein Faden. Ein feiner, brüchiger Faden noch, aber einer, der sie würde tragen können. Der Faden hatte einen Namen: Gwendolyn Stein. Eine Künstlerin, die mit ihrer Bildhauerei bislang wenige Erfolge hatte feiern können. Ihre seltenen Ausstellungen wurden von der Presse mit Häme überzogen. Die Feuilletons machten sich einen Spaß daraus, über Gwendolyn Stein in misantropisch-intellektuellem Ton herzuziehen, weil sie von ihrer Kunst nicht leben konnte und darauf angewiesen war, Malkurse für Toskana-Urlauber und reiche, gelangweilte Hausfrauen zu geben. Dabei wurden ihre Ideen in den Ansätzen gelobt. Sie denke mit ihren Plastiken auf bisher einzigartige Weise eine Verbindung zwischen Mensch und Natur an, hieß es. Aber es gelänge ihr nicht, dieses Thema zur künstlerischen Vollendung zu bringen.
    Anders als Dani, dachte Katinka. Dani macht in Straßburg eine Ausstellung zur Verbindung zwischen Mensch und Natur. Katinka betrachtete einige Fotos, die Plastiken Gwendolyn Steins zeigten. Eine Büste, das Gesicht eines Fauns nur angedeutet, überwachsen mit Weidenzweigen. Nichts Besonderes, nichts Neues, fand sie. Erwartbar eben. ›Dani ist diszipliniert wie eine Abteilungsleiterin‹, hörte sie Jana sagen. Dani Zanini, die vom Kopf her arbeitete, sich ihre Inspiration über vernunftbetontes Nachdenken schuf. Eine glücklose Künstlerin und die schuftende Dani.
    Es knallte.
    Katinka schrak so heftig zusammen, dass sie zu zittern anfing.
    Die Haustür war zugeschlagen.
    Mit bebenden Händen griff sie nach ihrer Pistole, krabbelte wie ein Äffchen die Strickleiter hinauf und blieb schwer atmend im Atelier stehen. Sie lauschte. Lautlos ging sie zur Ateliertür. Sie durfte nicht zu lange warten, der Panik keine Chance geben. Mit wenigen Schritten war sie in der Küche. Niemand. Auch in den Schlafzimmern und im Bad fand sie nichts, was sie hätte ängstigen müssen. Sie trat vor die Tür.
    Nichts.
    Der Wind hatte aufgefrischt, Regenwolken herbeigetrieben und Katinka konnte sehen, dass die waldigen Hügel weit hinten am Horizont unter grauen Schleiern lagen. Neuer Regen, dachte sie erschöpft. Die Bäume schüttelten sich in den Böen. Sie beschloss, dass der Wind die Tür zugeschlagen hatte. Vorsichtshalber drehte sie den Schlüssel herum. Noch

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