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Käfersterben

Käfersterben

Titel: Käfersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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noch einmal bei Hardo zu probieren.
    Als sie fast oben war, spürte sie einen heftigen Schmerz am Kopf. Sie stürzte hin. Das Handy segelte davon. Irgendwo schlug es auf und zersprang. Jemand war über ihr. Dichter Nebel hüllte ihren Kopf ein. Ihre Arme wurden ihr auf den Rücken gedreht und gefesselt. Sie hörte eine Tür knarren. Erst das Geräusch weckte die Angst. Man stieß sie in einen Raum, in dem es dunkel war und nach Chemikalien roch. Sie fiel auf den Bauch, schutzlos ohne ihre Hände. Ihre Brille flog in hohem Bogen in die Düsternis. Sie schrie auf vor Schmerz, als ihr Kinn auf den Boden prallte. Doch nie hätte sie mit der Qual gerechnet, die folgte. Ein schneidender Schmerz raste vom Ellenbogen bis in die Schulter und ließ sie aufschreien. Es fühlte sich an, als würde ihr Arm abgetrennt. Sie zappelte und trat nach ihrem Peiniger, doch der packte ihre Fußgelenke und band sie aneinander. Ein greller Blitz zuckte über sie hinweg. Sie hob hilflos den Kopf. Verschwommene Umrisse. Die Tür schlug zu und ein Schlüssel drehte sich im Schloss. Gelähmt vor Schmerz und Angst blieb Katinka liegen. An ihren Wangen fühlte sie Staub und Steinchen. Das Entsetzen riss an ihren Muskeln, ihr Magen krampfte sich zusammen und ließ sie aufkeuchen vor Schmerz. Sie konnte sich keine Erleichterung verschaffen, indem sie sich drehte oder zusammenrollte. Ihr linker Oberarm war an die Holzdielen genagelt worden. Noch bevor sie ihren Kopf soweit drehen konnte, um zu sehen, was sie da am Boden festhielt, spürte sie ihren Pullover nass werden. Nass und warm.
    Das ist Blut, dachte Katinka, ehe sie wegdämmerte.
     

17. Zu Ende denken
    Sie trieb dahin, an einem grauen Ort zwischen Bewusstlosigkeit und Wachsein. Sie fühlte sich schwach, sie fror in ihren regennassen Sachen und hatte Durst. Manchmal ängstigte sie das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Dann saugte sie mit aller Kraftanstrengung ihre Lungen voll. Ihre Gedanken surrten um Gwendolyn. Aber das Denken driftete weg und hinterließ grauen Schlamm, in dem Katinka nichts sah und nichts hörte. Nur der Gestank nach Chemikalien drang in ihren Dämmerzustand.
    Einmal hörte sie Leute draußen reden. Sie wollte um Hilfe schreien, aber ihr Mund war zu trocken. Verzweifelt leckte sie sich über die Lippen, doch die Zunge klebte am Gaumen fest. Es gab kein Zeitgefühl in diesem Verlies. Ab und zu flaute die Angst ab und hinterließ das zuversichtliche Gefühl, dass man sie finden würde. Dann wieder wurde ihr klar, dass sie Blut verloren hatte. Sie fragte sich, ob sie hier verbluten würde. Ihre Hände begannen zu kribbeln und wurden schließlich taub. Wann immer sie versuchte, sich zu bewegen, sich auch nur vorsichtig zu drehen, explodierte der Schmerz in ihrem Arm, kalt wie Eis und gleichzeitig glühend heiß. Ihr fiel ein, dass Tom bald kommen würde. Lautlos formten ihre Lippen seinen Namen. Viele Male, wie ein Mantra, in der Hoffnung auf Trost.
    Irgendwann nickte sie ein.
    Ein Brüllen wie von einem tropischen Zyklon zerriss die Stille aus Watte um sie herum. Etwas donnerte, ein ohrenbetäubender Knall kam von der Tür. Man schrie ihren Namen. Menschen fielen über sie her wie ein Insektenschwarm. Vor Schreck fing sie selber an zu schreien. Vor Schwäche und ohne ihre Brille sah sie nur verschwommene Schatten. Ein wahnsinniger Schmerz zerschlitzte ihren Arm. Sie brüllte vor Angst und Entsetzen auf. Wenn sie etwas nicht wollte, dann war es sterben. Sie wollte leben, auf alle Fälle leben, und sie begann, sich zu wehren. Ihre Hände kamen frei. Sie zuckten unkoordiniert. Die lange Zeit ohne Bewegung hatte Muskeln und Gelenke steif werden lassen.
    »Nicht«, sagte jemand. »Nicht bewegen.«
    Sie kannte die Stimme. Für den Moment wusste sie keine genaue Information mit ihr zu verbinden, aber ihr limbisches System, die archaische Schaltzentrale aller Erinnerungen, meldete Entwarnung. Die Stimme verhieß Rettung. Ein Geruch schwebte durch den Raum, der ihr vertraut erschien und den chemischen Gestank verdrängte. Ihr Arm brannte wie Feuer, aber es gab keine neuen, vernichtenden Schmerzen mehr. Man drehte sie auf den Rücken, legte etwas Weiches unter. Sie flüsterte, dass ihr kalt war, und jemand deckte sie zu. Katinka blinzelte. Eine warme Hand legte sich auf ihr Haar. Der Lärm verebbte ein wenig.
    Jemand sagte: »Können Sie Ihre Finger bewegen? Machen Sie eine Faust!«
    Sie versuchte es. Die Finger waren taub, es kostete Mühe und tat weh. Später kamen neue Geräusche.

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