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Kälteeinbruch (German Edition)

Kälteeinbruch (German Edition)

Titel: Kälteeinbruch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Erik Fjell
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sollen dich abholen», sagte Torp böse, ohne den Schüler anzusehen.
    «Hä?» Der Schüler drehte sich zu Torp, dann wieder zu Anton. «Wollen Sie mich verarschen? Die haben die Bullen gerufen?» Er schrie jetzt beinahe. «Verdammte Scheiße! Ich hab bloß ’n Schneeball geworfen!»
    «Entspann dich», sagte Anton. «Wir wollen nur mit der Rektorin sprechen.»
    «Über mich?»
    «Ja», sagte Torp.
    «Nein, nicht über dich», beruhigte ihn Anton.
    «
Fuck, man.
Ihr habt mich grad ganz schön nervös gemacht.» Er steckte die Hand in die Hosentasche und holte Spielkarten heraus. Baute sich vor Torp auf und zog neun beliebige Karten aus dem Stapel. Legte drei Stapel mit gleich vielen Karten auf den Boden. «Suchen Sie sich einen Stapel aus und gucken Sie sich die unterste Karte an. Aber nicht mir zeigen.»
    Große Klappe, schlaksig und blond. Und jetzt zauberte er auch noch ein Kartenspiel hervor. Anton begann, den Jungen zu mögen. Der Knabe erinnerte ihn ziemlich an sich selbst als Jugendlichen. Obwohl er zweifellos einer der größten Rowdys an der Schule war, machte er auf Anton den Eindruck, als hätte er lediglich zu viel Energie. Und solange es bei seinen harmlosen Jungenstreichen blieb, machte ihn das nur sympathisch.
    Torp scheuchte ihn mit der Hand weg.
    «Such dir einen Stapel aus, Torp», sagte Anton bestimmt. «Oder bist du schon einer von diesen mürrischen, humorlosen
Bullen

    Der Schüler lachte. «War doch nur Spaß, dass Sie wie sechzehn aussehen.» Widerstrebend zog Torp eine Karte. «Sie sehen mindestens aus wie neunzehn.»
    Anton lachte. Auch der Schüler brach in Gelächter aus. Er wusste, dass er die Lacher jetzt auf seiner Seite hatte.
    Torp seufzte ergeben. Wählte einen Stapel, sah sich die unterste Karte an und zeigte sie Anton: Pik Vier. Der Schüler legte Torps Stapel und die beiden vom Boden aufeinander. Dann nahm er vier Karten ab und schob sie unter den Stapel. Hob noch zwei Karten ab und schob sie ebenfalls unter den Stapel. Dann noch einmal sechs Karten, mit denen er genauso verfuhr. Den Stapel mit den neun Karten hielt er noch immer in der Hand, streckte ihn Torp hin und sagte: «Torp war Ihr Name, oder?»
    Torp nickte.
    Dann buchstabierte der Junge: «T-O-R-P» und hob für jeden Buchstaben eine Karte ab. Schließlich zog er eine fünfte Karte und drehte sie um: Pik Vier. «Richtig?»
    «Shit», sagte Torp und glotzte. «Wie hast du das gemacht?»
    Der Schüler strahlte: «Magie.»
    «Weißt
du
, wie das geht?» Torp schaute Anton an.
    «Was?» Anton streckte den Rücken durch. «Nö, hab nicht aufgepasst.» Er sah den Schüler an. «Du hast ihn ausgetrickst.»
    «Jepp», erwiderte der Schüler stolz.
    «Sehr gut.»
    Die Tür zum Vorzimmer wurde geöffnet, eine Frau von Mitte vierzig, der der Ernst der Lage ins Gesicht geschrieben stand, tauchte vor ihnen auf. Sie trug eine schmale, eckige Brille, einen schwarzen, knielangen Rock und eine weiße Bluse. Sie sah Anton und Torp an. Den Schüler würdigte sie keines Blickes. Ein leichter Parfümduft verbreitete sich in dem kleinen Raum.
    «Guten Tag», sagte sie und ging auf ihre Bürotür zu. «Kommen Sie mit.» Sie hielt ihnen die Tür auf. «Und du, Andy, wartest hier, bis ich fertig bin. Okay?» Bevor er antworten konnte, hatte sie die Tür bereits leise geschlossen.
    Anton und Torp kondolierten und setzten sich. Die Fenster des Büros gingen zum Schulhof hinaus. Draußen waren fünf Mädchen im Teenageralter auf dem Weg in die, wie Anton vermutete, obligatorische Raucherecke. Alle fünf sahen aus wie Miniaturausgaben von Paris Hilton. Besser angezogen als die meisten Frauen in Antons Umfeld. Vier Jungen, deren Gehabe derart großspurig war, dass es Anton wunderte, dass sie sich heute überhaupt in die Schule bequemt hatten, nahmen sich gerade einen armen Schlucker vor, der sich in den Teil des Schulhofes verirrt hatte, der den coolen Jungs vorbehalten war. Anton musste lächeln. Er selbst hatte Dutzende Jungen an seiner Schule mit Schnee eingeseift. Etliche Mädchen ebenfalls, wenn er ehrlich war.
    «Ja, was soll man da sagen», setzte die Rektorin an. Sie faltete die gepflegten Hände auf dem Schreibtisch. Roter Lack bedeckte ihre langen Nägel. «Ich habe eben die Fachleiter und den Rest der Schulleitung über den Vorfall informiert.» Sie holte Luft. «Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Das ist einfach nur … furchtbar tragisch. Ermordet.» Sie sprach das Wort auf eine Weise aus, als müsste sie es sich selbst mehrmals

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