Kälteeinbruch (German Edition)
Adam. Bedrückt dich irgendwas?»
Mery hatte jetzt aufgehört zu kauen. Saß unbeweglich da und blickte zwischen den beiden hin und her.
Adam legte die Gabel auf seinen vollen Teller. Befeuchtete die Lippen. Nahm einen Schluck aus dem Wasserglas. Fuhr sich mit der Zunge erneut über die Lippen.
«Ich habe heute ein wenig nachgedacht.» Adam hob den Kopf und sah den Mann an, mit dem er schon ein halbes Leben teilte. «Es ist an der Zeit, dass ich nach Portsmouth zurückkehre, Peter.»
«Sie wollen umziehen?», brach Mery hervor.
Adam beachtete sie nicht. Starrte auf die Tischplatte. Schob das Wasserglas ein paar Zentimeter nach rechts. Hob wieder den Blick und sah Peter in die Augen.
«Ich reise natürlich erst ab, wenn wir jemanden gefunden haben, der meinen Platz einnehmen kann. Ich habe schon ein wenig herumtelefoniert. Ich hoffe, das ist in Ordnung für dich.»
«Mmh», sagte Peter, ohne den Blick abzuwenden. Er starrte Adam an. Musterte sein bulliges Gesicht. Den glattrasierten Schädel. Den kräftigen Nacken, die maskulinen Hände. «Ich gehe davon aus, dass deine Entscheidung mit unserem Gespräch heute Vormittag zu tun hat.» Er schob sich noch eine Gabel mit Omelette in den Mund.
«Das hier geht mir zu weit, so war es nicht abgemacht. Ich habe gründlich darüber nachgedacht, und es tut mir leid. Aber für mich hört das Geschäftliche dort auf, wo die Dinge persönlich werden. Ich könnte die Angelegenheit, und das weißt du genauso gut wie ich, ohne Probleme allein in Ordnung bringen. Und wir wissen beide, dass ich einen guten Job machen würde. Weißt du, was mich davon abhält?»
«Do tell», erwiderte Peter desinteressiert und hob ungerührt eine Augenbraue. Er war im Moment mehr damit beschäftigt, sich eine Gabel mit sämtlichen Omelette-Bestandteilen in den Mund zu schieben.
«Meine Loyalität dir gegenüber. Nicht als Freund, sondern als Vorgesetztem. Manchmal wird einem das Soldatenblut zum Verhängnis. Dieser unbedingte Gehorsam, selbst wenn man weiß, dass es falsch ist.»
«Mmh.» Peter deutete mit der Hand auf sein leeres Glas. Mery griff nach dem Karton und schenkte ihm nach. Er stürzte das Glas in einem Zug hinunter. Stellte es vorsichtig auf den Tisch und sagte: «Das ist bedauerlich, Adam. Sowohl Mery als auch ich würden es überaus begrüßen, wenn du dich zum Bleiben entscheiden würdest.»
«Ich kann bei dieser Sache nicht einfach tatenlos zugucken.»
«Ich will nicht behaupten, dass ich dich nicht verstehen kann, aber in gewisser Weise legst du hier eine Doppelmoral an den Tag. Hast du unseren serbischen Freund vergessen? Den du eigenhändig von Schweden nach Norwegen gerudert hast. Den du von der Grenze hierhergebracht hast. Den Serben, der sowohl Frauen als auch Kinder getötet hat. Der den Mord an Tausenden in Auftrag gegeben hat, bevor sie in Massengräbern verscharrt wurden. Und jetzt wirst du plötzlich zum barmherzigen Samariter, nur weil –»
Adam stand auf. «Ich gehe in die Scheune.»
«Setz dich!», donnerte Peter und schlug mit der Handfläche auf den massiven Holztisch.
Adam folgte seiner Aufforderung.
«Erklär mir, Adam», fuhr Peter in ruhigem Ton fort, «wieso nun ausgerechnet das hier dich persönlich betrifft?»
«Es sind Kinder. Und ich bin Vater.»
«Deine Kinder sind erwachsen, Adam. Also lass den Unsinn.»
«Sie waren auch mal klein.»
Mery brach plötzlich ihr Schweigen. «Was ist hier los?»
Adam setzte gerade an, als Peter leise sagte: «Wir wollen ihr derlei Dinge ersparen, Adam.»
«Glaubst du, sie begreift das nicht? Bist du so naiv zu glauben, dass sie das alles nicht durchschaut? Den Hof. Die Überwachung. Das Leben, das du führst. Das Leben, das
ich
führe. Das Leben, das zu führen sie selbst gezwungen ist. Die geheimen Treffen mit Männern, die sie nur aus dem Fernsehen kennt. Glaubst du wirklich, dass sie nicht begreift, worum es hier geht, Peter?»
Mery sah verlegen weg, dann stand sie auf und trug ihren Teller zur Küchenzeile. Adam folgte ihr und verschwand nach draußen. Peter blieb ein paar Minuten schweigend sitzen, dann rollte er ohne ein weiteres Wort in sein Büro. Schloss hinter sich die Tür. Hielt am Regal unter den beiden Plasmabildschirmen, die gegenüber vom Schreibtisch an der Wand hingen. Saß dort und betrachtete die goldene Ehrenmedaille der SADF . Klappte das Etui vorsichtig wieder zu. Rollte hinter den Schreibtisch. Sah hoch zu den Fotografien an der Wand. Ließ seinen Blick auf der Frau ruhen, die für
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