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Kälteeinbruch (German Edition)

Kälteeinbruch (German Edition)

Titel: Kälteeinbruch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Erik Fjell
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sein Eintreffen registriert hatte, und machte sich dann an einer Lampe zu schaffen, die er aufstellen wollte.
    Nils Jahr setzte sich auf die Sofakante. Griff in die Innentasche und holte den wiederverschließbaren Beutel heraus, der 50  Gramm reinstes Kokain enthielt, reineres war in Oslo nicht aufzutreiben. Er hielt den Beutel einen Augenblick in der Hand und betrachtete das feine weiße Pulver. Mit Daumen und Zeigefinger öffnete er den Verschluss, konnte die Substanz in dem Beutel nicht riechen. Oft fand er, dass der Stoff chemisch roch, nach Zahnarztpraxis, aber der hier war geruchlos, was die Aussage des Verkäufers nur bestätigte: Das Kokain war rein. An der Tankstelle in Alnabru hatte Nils nicht die Zeit gehabt, den Anblick zu genießen. Er hatte lediglich einen Schlüssel in den Beutel gesteckt und sich eine Prise ins Nasenloch geschoben. Jetzt hingegen – er holte Luft.
    Ein 3 er BMW oder unbegrenzter Zugang zu kolumbianischem Schnee? Er war sich nicht sicher. Käme drauf an. Jetzt im Moment – der Schnee. Vor zwei Minuten hätte er sich noch für den Wagen entschieden. Er kippte einen kleinen Teil des Inhalts auf einen viereckigen Spiegel, nahm dann eine alte Kreditkarte, die sämtliche Buchstaben des Alphabets sowie gerade, schräge, geschwungene, rechtwinklige und ovale Linien schon tausendfach aus Pulver geformt hatte. Er sammelte alles zu einem Häufchen links auf dem Spiegel. Schob eine kleine Schneewehe in die Mitte und formte sie zu einem schmalen S.
    Er nahm einen Tausender, der bereits zu einer Röhre zusammengerollt war. Beugte das Gesicht zum Spiegel hinunter. Steckte das eine Ende des Scheins in sein rechtes Nasenloch, setzte das andere hinter das S. Sog den halben Buchstaben ein, wechselte das Nasenloch und nahm den Rest.
    Nils Jahr ließ den Schein auf den Tisch fallen. Leckte den Zeigefinger ab und fuhr mit ihm über den Spiegel, bevor er ihn in den Mund steckte und das weiße Pulver ins Zahnfleisch massierte. Er lehnte sich zurück und legte die Arme auf die Sofalehne.
    Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er spürte, wie sich die Haare im Nacken und auf den Armen aufstellten. Das Taubheitsgefühl breitete sich vom Nasenrücken über die Wangen aus. Seine Zähne schlugen zweimal aufeinander. Das Kokain hatte bereits die Kontrolle über sein Gesicht übernommen. Sein Kiefer war gelähmt.
    So sollte es sein. Auf einer Reise nach Rio de Janeiro hatte er Kokain gekauft, und der Stoff war gut gewesen. Phantastisch, um genau zu sein. Aber er hätte schwören können, dass der hier noch besser war. Der hier war nicht mit allem möglichen Mist gepanscht. In der Weihnachtszeit vor zwei Jahren hatte Ebbe im Haus geherrscht. Nachdem er zwei Stunden lang versucht hatte, einen Dealer aufzutreiben, ohne sich an die einschlägigen Orte zu begeben, hatte er schließlich einen zwanzigjährigen Rotzbengel aufgespürt, der sich für Pablo Escobar hielt. Das Problem war jedoch, dass das Mistzeug, das er verkaufte, bis ultimo gestreckt war, was
gerade noch
in Ordnung gegangen wäre, hätte der Scheißkerl nicht die Frechheit besessen, 1200  Kronen pro Gramm zu verlangen. Escobar junior musste sein Weihnachtsessen damals durch einen Trinkhalm zu sich nehmen, und es hieß, dass er danach nie wieder auch nur eine einzige zermalmte Paracetamol verkauft habe.
    Aber der Stoff hier war rein.
    Heaven.
    Die Blondine warf ihm einen wohlkalkulierten, lüsternen Blick zu. «Kann ich?»
    Nils Jahr bedachte sie mit demselben Blick, den er ihr schon draußen im Flur geschenkt hatte, nur noch intensiver, schräg von unten zu ihr hoch. Jedenfalls kam er ihm intensiver vor, auch wenn er sich nicht darum bemühte.
    Sie sah weg.
    «So was hast du unter Garantie noch nie probiert. Kommt direkt vom Schiff.»
    Sie lächelte und drehte sich wieder zu ihm um. Hielt sich die Haare mit der linken Hand aus dem Gesicht, während sie mit der rechten zwei dünne
Lines
zog. Dann verschwand das Pulver in ihrer süßen Nase.
    «Willst du auch?», rief er durch das Zimmer.
    Der Fotograf drehte sich um und lächelte. «Nein, danke, so was rühr ich nicht an, Nils, das weißt du doch.»
    «Du bist aber anständig», sagte die Blondine. «Der Typ, der meine Fotos macht, hat nicht mal ein eigenes Studio.»
    «Echt?», erwiderte der Fotograf. «Was ist das denn für einer?»
    «Ein Ausländer, der da unten in –»
    «Ach so», antwortete der Fotograf schnell. «Weiß, was du meinst. Noch so ein spinnerter Mittvierziger, der sich eine

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