Kälteeinbruch (German Edition)
auswendig. War an der PHS der Klassenbeste in Jura.»
STRASAK war ein landesweites Register, weshalb es von jedem zugangsberechtigten PC – unabhängig von der Polizeidirektion – genutzt werden konnte. Es war allerdings nicht möglich, die Fälle einzusehen, wenn sie einer anderen Polizeidirektion zugeordnet waren. Momentan hielt Anton sich in der Polizeidirektion Østfold auf – eingeloggt war er als Ole Kval. Vor vier Jahren war Oslo die zuständige Behörde gewesen, die Anklage gegen Nils Jahr erhoben hatte, deshalb musste Anton eine Anfrage nach Oslo schicken, damit er Einblick in die Akten erhielt. Er verfasste eine kurze Mail, in der er um elektronische Zusendung des letzten Falls bat, vorzugsweise vor fünf Minuten. Er lehnte sich zurück und faltete die Finger hinter dem Kopf.
«Hab ich einen Kaffeedurst, Torp.»
«Dann hol dir doch einen Kaffee», erwiderte dieser, während er auf seinem Handy nachsah, ob neue Nachrichten eingegangen waren.
Anton setzte eine gespielt entrüstete Miene auf. Als könnte er nicht glauben, was der junge Mann mit der riesigen Nase geantwortet hatte. «Wie bitte …?»
Ohne aufzublicken, wiederholte Torp seine Worte.
Anton grinste. «Hast du jetzt plötzlich Eier in der Hose?» Er schwang seine Füße auf den Schreibtisch. «Ich muss schon sagen, du vergisst schnell, Kollege Torp.»
Torp steckte sein Handy in die Tasche und sah auf. «Schnell vergessen? Was denn?»
Anton deutete auf das Empfehlungsschreiben, das er vor wenigen Minuten ausgedruckt hatte. «Ich habe geschrieben, dass Fredrikstad von dir wesentlich mehr erwarten könnte, als sie bezahlen. Und mir einen Kaffee zu holen, ist doch mehr, als wofür du bezahlt wirst. Oder?»
Torp seufzte. «Wie lange willst du das gegen mich verwenden?» Er stand auf und verschwand.
Anton zog sich näher an den Schreibtisch heran, sodass er lesen konnte, was auf dem Bildschirm stand, während seine Füße nach wie vor über Kreuz neben der Tastatur ruhten. Keine neuen Nachrichten in Kvals Postfach. Welches im Übrigen nicht sehr umfangreich war. Nahezu bedauernswert wenig Post, abgesehen von ein paar Mails seiner Frau. Wenn Anton nicht gewusst hätte, dass ihn die Lektüre deprimieren würde, hätte er geschnüffelt. Und sei es nur, um herauszufinden, ob Ole Kval sich vielleicht als Romantiker entpuppte. Anton drückte x-mal auf
E-Mails abrufen
, als könnte er dadurch einen Kollegen der Osloer Polizei zum Lesen seiner Mails bewegen, der ihm daraufhin in Windeseile die angeforderten Dokumente zuschicken würde. Er klickte zurück zur STRASAK -Datenbank und überflog die letzten beiden Verfahren gegen Nils Jahr. Zwei abscheuliche Anklagen, von denen Jahr in beiden Fällen freigesprochen worden war.
Mit einem Pappbecher in der Hand und in Begleitung des Mannes, dessen Name die Bürotür schmückte, kam Torp über die Schwelle spaziert.
«Keine der beiden Nummern, die wir gefunden haben, hat über die Masten rund um Nygårdshaugen Signale gesendet oder empfangen», sagte Kval.
Torp stellte den Pappbecher auf die Schreibtischkante und schob ihn mit zwei Fingern hinüber zu Anton. Anton blickte in den Becher und warf Torp einen misstrauischen Blick zu. Als hätte Torp ihm etwas in den Kaffee gemischt.
«Nein, ich habe kein Gift hineingeschüttet», sagte Torp in scharfem Ton. «Auch wenn es unter Umständen angebracht wäre.»
«Torpilein lehnt sich endlich gegen den legendären Anton Brekke auf», bemerkte Kval mit tiefer Stimme. «Fabelhaft. Dazu gehört Mut, Torp.»
«Ja, eben erst habe ich ihn gefragt, ob er endlich ein paar Eier in der Hose hat», sagte Anton und nahm einen Schluck aus seinem Becher. Schnitt eine Grimasse und nahm einen noch größeren Schluck. «Was für eine Brühe. Der ist bestimmt noch von heute früh.» Abrupt stand er auf. Zeigte auf Torp und sagte: «Du kommst mit mir.» Er schlüpfte in die Jacke und ging zur Tür. «Rufst du in Oslo an, Ole? Mach ein bisschen Dampf. Sag denen, dass ich die Unterlagen schon vor fünf Minuten gebraucht hätte. Wir sind gleich zurück.»
Polizeikommissar Ole Kval blickte von seinem Bildschirm auf, als Anton mit Torp im Schlepptau durch die Tür kam. Anton nahm in aller Ruhe auf dem Stuhl Platz und zog sich näher an den Schreibtisch heran, auf dem ein kleiner Stapel mit Blättern lag.
«Liebesbriefe?», fragte Anton, während er aus seiner Tragetasche eine Tüte von der Frischetheke von
Ultra
fischte. Er riss die Tüte an der Seite auf. Zusammen mit dem
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