Kälteeinbruch (German Edition)
Signal von Nummer B war über den einzigen Mobilfunkmast gekommen, den Telenor auf der Insel Skjærhalden nahe der schwedischen Grenze unterhielt. Hugo Babsvik wählte Adam Millers Mobilnummer und hielt sich das Handy ans Ohr.
« HB hier», sagte Hugo Babsvik und nahm einen Schluck aus einer Coladose. «Ich habe einen ausgehenden Anruf von der Handynummer, die ich für Sie orten sollte.»
Er konnte hören, wie Adam Miller aufstand. Das Geräusch von Stuhlbeinen, die über den Boden eines Büros, Wohnzimmers oder wo auch immer er saß schrappten, bohrte sich durch die Telefonleitung in seinen Gehörgang. Dann sagte der Mann: «Gut. Ist die angerufene Nummer eine norwegische?»
«Nix da. Nummer B ist eine litauische Nummer. Wie Nummer A.»
«Okay», antwortete Adam Miller. «Genau das hatte ich befürchtet.»
«So?», fragte Hugo Babsvik neugierig.
Bis jetzt hatte Adam Miller sich komplett bedeckt gehalten. Nicht der geringste Hinweis darauf, worum es hier ging. Hugo Babsvik hatte schon früh festgestellt, dass sein Auftraggeber zu denen gehörte, die nie mehr erzählten als notwendig, darüber hinaus schien er sich permanent nach einem Dritten richten zu müssen. Hugo Babsvik hatte zwar noch keinen anderen gehört oder gesehen, aber immer wenn er mit Adam Miller zu tun gehabt hatte, hatte ihn die autoritäre, raue Stimme wissenlassen, dass er zurückrufen würde.
«Ich hatte gehofft, dass es sich bei der angerufenen Nummer um eine norwegische handelt, dann hätten Sie mir Name und Adresse des Besitzers geben können.»
Der Stuhl war wieder zu hören.
«Sie möchten den Nutzer von Nummer B ausfindig machen?»
«Ja.»
«Das muss nicht schwierig sein, wenn es weitere Anhaltspunkte gibt. Bislang habe ich allerdings nur wenige.»
«Eine litauische Nummer kann doch nicht unter einer Adresse in Norwegen gemeldet sein?»
«Mmh-Jein.» Hugo Babsvik zog das Wort in die Länge. «Den Namen werde ich wohl nicht herausfinden können. Beziehungsweise, ich könnte es schon, aber das würde seine Zeit dauern. Dazu müsste ich Litauen kontaktieren, und es ist nicht gesagt, dass die solche Informationen herausgeben, wenn die offiziellen Papiere nicht vorliegen. Schon möglich, dass ich eine litauische Schönheit am Apparat antreffe, die sich von meiner angenehmen Stimme und meinen Telekenntnissen einlullen lässt, aber dazu müsste ich Glück haben und die Richtige erwischen.»
«Exakt. Dafür habe ich keine Zeit.»
«Ich werde Ihnen auch keine Adresse liefern können, w–»
«Kommen Sie auf den Punkt, Hugo. Ich hab wenig Zeit.»
«Ist ja schon gut, ich mach schon.» Er nahm wieder einen Schluck aus der Coladose. Schlürfte die Tropfen, die sich in der Aluminiumrille um die Öffnung gesammelt hatten, in sich hinein. «Wie schon gesagt, eine Adresse werde ich kaum rauskriegen können, weil das Signal von Nummer B von nur einem einzigen Mast empfangen wurde, draußen in Skjærhalden. Das bedeutet, dass sich der Betreffende überall auf der Insel aufhalten kann, und im Übrigen auch überall im Wasser drum herum. Sie würden ihn, sie – oder
es
– nie finden.» In der Hoffnung, dass Adam Miller die Katze aus dem Sack ließ, hielt Hugo für ein paar Sekunden inne.
Der andere schwieg.
«Mit zwei Masten könnte ich das Gebiet deutlich stärker eingrenzen und sagen: Vielleicht haben Sie ja Glück. Mit drei Masten hingegen k–»
«Könnten Sie den Schnittpunkt berechnen», unterbrach ihn Adam Miller. «Wie hoch wäre die Genauigkeit? Reden wir hier von einer Präzision von zehn oder fünfhundert Metern?»
«Tja», Hugo Babsvik rollte den Bürostuhl mit den Füßen vor und zurück. «Kommt ganz drauf an, wo. Oslo wäre schon eine Herausforderung. Dort wimmelt es von Basisstationen. Läuft man zum Beispiel eine Straße entlang, kommt es im Laufe eines einzigen Gesprächs zu einer Vielzahl von Funkmastenwechseln. Sitzt man hingegen still, liegen die Dinge logischerweise einfacher. Bei Ihnen da unten in Østfold kann man ziemlich konkrete Angaben machen. Vielleicht bis auf zehn, fünfzehn Meter genau.»
«Donnerwetter, das geht?», fragte Adam Miller.
«Ich kann nicht viel, Adam, aber auf exakt diesem Gebiet bin ich Gott. I’m the eye in the sky. Wenn sich Ihr Objekt also in eine etwas weniger abgelegene Gegend begibt und dort sein Handy benutzt … ja, dann hab ich ihn.»
«Und ich kann jetzt nur warten und hoffen, dass er sein Handy irgendwo anders benutzt?» Adam Miller klang resigniert. «Sie müssen doch noch
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