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Kälteeinbruch (German Edition)

Kälteeinbruch (German Edition)

Titel: Kälteeinbruch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Erik Fjell
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sie ihn nicht übersehen konnte.
    Das Lokal war etwas mehr als halb voll. Überwiegend Männer, die Bier tranken, aber auch fünf oder sechs Vierertische mit Familien. Ivan warf einen Blick auf die Speisekarte. Die Preise waren moderat. Er ließ die laminierte Karte sinken und hielt nach Viktorija Ausschau. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt. Um die Hüften trug sie eine schwarze Kellnertasche.
    Ohne ihn zu bemerken, eilte sie an Ivans Tisch vorbei. Die Tür schwang hinter ihr zu und wirbelte ihm den Duft von Bratfett, Würstchen und Kartoffeln direkt ins Gesicht. Wenige Sekunden später kam sie mit einem Teller in jeder Hand zurück. Ivan sah zu ihr auf und hob die Augenbrauen.
    «Hallo!», sagte Viktorija Mielkos belustigt und verlangsamte ihr Wettlauftempo. «Verfolgst du mich, oder was?» Ein helles Lachen folgte ihren Worten. «Ich komm gleich zu dir, okay?»
    Ivan nickte. «Danke.»
    Er hatte kaum die Speisekarte in die Hand genommen, da war sie schon wieder zurück. Viktorija blieb vor seinem Tisch stehen und blickte ihn erwartungsvoll an.
    Ivan sah auf. Lächelte höflich und sagte: «Wie hoch ist wohl die Wahrscheinlichkeit, dass ich einer so hübschen Frau wie dir im Laufe weniger Stunden gleich zweimal über den Weg laufe?»
    Sie errötete und sah verlegen weg. Dann sah sie Ivan wieder an. «Was möchtest du haben?»
    «Das riecht gut», er nickte in Richtung Küche, «aber ich glaube, ich nehme nur ein Bier.»
    Viktorija nickte eifrig. «Ein Bier, gerne.»
    Sie verschwand. Ivan drehte sich um und beobachtete sie. Sie ging hinter die Theke, nahm ein Halbliterglas zur Hand und hielt es beim Eingießen schräg. Warf ihm einen schüchternen Blick zu, lächelte und schüttelte verlegen den Kopf.
    Ivan fragte sich, was bloß mit ihr los war. Sah sie etwa schlecht?
    «So», sagte sie und stellte das Glas vor ihm ab. «Sicher, dass du nichts essen möchtest?»
    Ivan schüttelte den Kopf und lächelte. «Für mich nur Bier.»
    Eine Stimme rief aus der Küche nach ihr. Sie seufzte und verschwand durch die Schwingtür. Nachdem sie sechs weitere Tische bedient hatte, bestellte Ivan noch ein Bier. Er folgte ihren routinierten Bewegungen. Ihre Blicke trafen sich wieder. Dieses Mal schüttelte sie nicht den Kopf. Lächelte nur.
    Ivan nahm einen Schluck. Helles, litauisches Bier. Das beste im ganzen Land. Er wischte sich schnell mit der Hand den Mund ab.
    «Arbeitest du viel?»
    «Fast jeden Tag.»
    Ivan nickte anerkennend. «Und dann noch das Studium. Jura. Respekt, du machst es dir nicht leicht.»
    «Das ist schon in Ordnung. Ist ja nur für ein paar Jahre.»
    «Hoffentlich hast du einen netten Freund, der dich nach der Arbeit abholt und nach Hause begleitet?»
    «Einen Freund? Job, Studium
und
einen Freund?» Wieder lachte sie leise. «Dafür hab ich keine Zeit.»
    «Nicht?»
    Sie schüttelte den Kopf.
    «Du bist bestimmt eine Herzensbrecherin», bemerkte Ivan und nahm wieder einen Schluck.
    «Ich hab noch kein einziges Herz gebrochen.»
    «Nicht?» Ivan sperrte die Augen auf. «Brav.»
    Sie winkte ab. «Hör bloß auf.» Erneutes Lächeln.
    «Wie lange musst du arbeiten?»
    Sie sah auf die Uhr. «Noch eine Stunde.»
    «Darf ich dich vielleicht nach Hause begleiten?»
    Sie sah ihn skeptisch an.
Ihn.
Nicht den Mexikaner. Der war entweder auf wundersame Weise verschwunden, seit er vor einigen Stunden zuletzt sein Spiegelbild betrachtet hatte, oder sie ließ sich davon einfach nicht beirren.
    «Ja», fuhr Ivan fort, «eine Bekannte von mir ist vor ein paar Tagen überfallen worden. Gleich hier um die Ecke.»
    «Was, echt? Stimmt das?»
    Ivan nickte mit ernster Miene. «Ehrenwort.»
    «Ich wohne nur ein paar Schritte von hier entfernt, es wird schon nichts passieren.»
    «Gut.» Ivan sah sie selbstbewusst an. Tat, als wäre er ein Mann, der die raue Fassade aufrechterhalten konnte. «Dann muss ich ja keinen langen Umweg machen.»
    «Vielleicht warst du ja der Typ, der sie überfallen hat?» Ihr Tonfall war neckisch.
    «Ich bin nicht so schlimm wie ich aussehe.»
    «Du siehst doch nicht schlimm aus. Aber okay, ein bisschen Gesellschaft auf dem Heimweg kann nicht schaden.»
     
    Zwei Biere und eine Stunde später kam sie aus der Küche. Der Gürtel mit der Kellnertasche war verschwunden. Der rote Mantel zugeknöpft. Eine weiße Strickmütze bedeckte den größten Teil ihrer dunklen Haare.
    Vor seinem Tisch blieb sie stehen. Ivan erhob sich. Legte ein paar Scheine auf den Tisch und steckte Viktorija einen zu.
    «Trinkgeld.

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