Kälteeinbruch (German Edition)
von der E 6 ab. Auf dem Parkplatz stand ein Polizeiauto schräg vor einem Lieferwagen. «Fünfzig Millionen Kronen», wetterte Kval weiter und schnaubte. «Um was genau sehen zu können? Ein paar Verkehrskreisel und Felder? Und mein Schwiegervater liegt in einem schäbigen Zimmer im Altenheim. Das er sich zudem noch mit einem armen Demenzkranken teilt. Das habe ich dir wahrscheinlich noch nicht erzählt, oder?»
Torp schüttelte den Kopf.
«Letzten Monat hatte er Verstopfung. Konnte acht Tage nicht aufs Klo.»
«Okay», sagte Torp. «Too much information.» Er blickte seinen Kollegen auf dem Beifahrersitz skeptisch an, in der Hoffnung, die Geschichte würde an dieser Stelle ein Ende nehmen.
«Was denn?» Kval warf ihm einen ungläubigen Blick zu. «Eins sollte dir klar sein, junger Mann: Auch du wirst eines Tages mal alt. Hoffentlich.»
Der Parkplatz war von einer dicken Schneeschicht bedeckt. Torp schlug das Lenkrad ein und parkte hinter dem Polizeiwagen. Auf dessen Beifahrerseite stieg ein Polizist aus. Torp kannte ihn von seinem Praxisjahr bei der Polizeikammer in Fredrikstad. Sindre Soundso. Hatte sich geweigert, ihm fünfzehn Kronen für die Kantine auszulegen, als Torp einmal seinen Geldbeutel zu Hause vergessen hatte. Sindre war ein Geizkragen, doch der Mann konnte nichts dafür: Er kam aus Sunnmøre.
Sindre öffnete die Hintertür. Ein dünner Mann Mitte dreißig mit kurzgeschnittenen Haaren stieg aus. Er stand noch nicht richtig, da erzählte er den beiden Neuankömmlingen auch schon unaufgefordert, dass sein Auto, ein dunkelgrüner Hyundai Accent, gestohlen worden sei, und dass diejenigen, die ihn gestohlen hatten, mit dem Lieferwagen gekommen sein mussten. Die einzigen Fußspuren auf dem gesamten Platz führten von dem Lieferwagen, einem roten Caravelle, zu der Stelle, an der sein Auto gestanden hatte.
«Und der Lieferwagen?» Kval richtete seine Frage an Sindre.
«Seine Aussage hat unser Interesse geweckt, also haben wir die Schilder überprüft. Sie wurden gestohlen gemeldet. Hab auch versucht, die Fahrgestellnummer zu überprüfen, ohne Erfolg.»
«Eine ausländische Nummer.»
«Vermutlich hat die Einsatzzentrale Sie deshalb kontaktiert, in Verbindung mit dem Fall in Sarpsborg. Wir hatten jedenfalls die Anweisung, hier zu warten, bis jemand von Ihnen da ist und sich die Sache angesehen hat.»
Sindre drückte sich vorsichtig aus, da der Mann mit dem gestohlenen Auto danebenstand und zuhörte. Torp begriff, dass die Einsatzzentrale Sindre darüber informiert hatte, dass die Polizei Sarpsborg intern nach einem Lieferwagen suchte, und dass dieser hier mit falschen Kennzeichen auftauchte und noch dazu ausländischer Herkunft war, reichte aus, um Kvals Neugier zu wecken.
«Was’n für ’n Fall?», fragte der Mann, der sich darauf einstellen musste, ein paar Tage ohne Auto auszukommen. «Doch nicht etwa der Mord, oder?»
Alle ignorierten ihn. Aber Kvals Neugier war erwacht. Er machte sich auf den Weg zu dem roten Caravelle. Der Schnee wurde unter seinen Winterstiefeln plattgedrückt. Sein gewaltiger Schatten fiel auf den weißen Boden vor dem Polizeiwagen, als er an dessen Scheinwerfern vorbeiging. Er zog die Schiebetür auf und steckte den Kopf hinein.
«Wurde er schon auf Fingerabdrücke untersucht?»
«Nein. Wir haben nur kurz reingeguckt.»
Kval stürmte an Torp vorbei und setzte sich ins Auto. Torp nahm neben der Tür Aufstellung und klopfte vorsichtig an die Scheibe. Sie glitt nach unten.
«Was passiert jetzt?»
«Ich ruf die Spurensicherung», antwortete Kval, das Handy bereits am Ohr.
Torp ging zu dem Mann, der die Polizei kontaktiert hatte. Er hatte wieder auf dem Rücksitz des Polizeiautos Platz genommen. Torp wollte wissen, weshalb er seinen Wagen hier abgestellt hatte. Der Mann erklärte, dass er den Parkplatz nutze, seit dieser im August fertiggestellt worden sei. Er selbst wohne in Halden und fahre ab hier bei einem Kollegen mit nach Skien.
«Komm mit», kläffte Kval, als er an Torp vorbeirauschte.
Torp folgte ihm. Allmählich dämmerte ihm, wovon Anton gesprochen hatte. Dass Kval ein fähiger Ermittler war, war ihm bis dato nicht klar gewesen. Jedenfalls nicht, dass er fähiger sein sollte als andere im Haus. Jetzt registrierte er jedoch einen Eifer und eine Arbeitsfreude, die bei den übrigen Ermittlern im Revier wohl kaum zum Standard gehörten.
Sie blieben hinter dem Lieferwagen stehen. Kval öffnete eine Dokumentenmappe. Nahm ein Foto im A 4 -Format heraus. Darauf
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